Von der Entsorgung zur Zerstörung: Neue Technologie eliminiert PFAS dauerhaft vor Ort

Gastbeitrag von
Jana Söffken,
Co-Founderin & Head of Operations
PFASuiki
PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) sind synthetische Chemikalien, die wegen ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften in zahlreichen Anwendungen vorkommen: in der Textil- und Papierindustrie, bei Feuerlöschschäumen (AFFF), in der Halbleiterproduktion oder als Beschichtung von Alltagsprodukten.
Ihre Kehrseite: Die Stoffe sind extrem stabil, bauen sich in der Umwelt praktisch nicht ab und reichern sich in Böden, Gewässern und im menschlichen Körper an. Besonders häufig treten sie im Abwasser auf – etwa in Kläranlagen, Deponiesickerwässern oder Löschschaum-Rückständen – und gelangen so in den Wasserkreislauf.
Studien bringen PFAS mit Krebs, hormonellen Störungen oder einer geschwächten Immunabwehr in Verbindung. Auch wirtschaftlich ist das Problem gravierend: Allein in Europa werden die jährlichen Kosten für Gesundheitsschäden und Umweltsanierung auf mehrere Dutzend Milliarden Euro geschätzt.
Wachsende Regulierung erhöht den Druck
Das haben die Behörden zunehmend im Blick:
- Ab 2026 schreibt die EU-Trinkwasserrichtlinie strenge Grenzwerte für PFAS vor (0,1 µg/L für Einzelstoffe, 0,5 µg/L für Summenparameter).
- Mehrere Länder treiben ein umfassendes PFAS-Verbot voran, das Tausende Substanzen betreffen könnte.
- In den USA hat die Umweltbehörde EPA 2024 erstmals verbindliche PFAS-Grenzwerte für Trinkwasser festgelegt.
Neben regulatorischen Vorgaben wächst auch der gesellschaftliche und juristische Druck. In den USA führten Klagen gegen 3M und BASF bereits zu hohen Vergleichen.
Für die öffentliche Hand in Europa ist das ein Warnsignal: Auch wenn die Industrie haftet, landen PFAS oft zuerst in kommunalen Kläranlagen und Trinkwassersystemen. Kommunen und Stadtwerke tragen damit die direkte Verantwortung – und können durch frühzeitiges Handeln Risiken vermeiden und Vertrauen sichern.
Warum Entfernung allein nicht reicht
Derzeit setzen viele Anlagenbetreiber auf klassische Rückhaltetechnologien: Aktivkohle, Ionenaustauscher oder Membranverfahren wie Umkehrosmose. Sie entfernen PFAS aus dem Wasser, doch das Problem bleibt bestehen: Die Chemikalien werden lediglich konzentriert und müssen anschließend entsorgt oder verbrannt werden – oft teuer, energieintensiv und nicht vollständig wirksam.
Gerade bei komplexen Abwässern wie Deponiesickerwasser oder Löschschaumresten stoßen diese Verfahren an ihre Grenzen. Hier zeigt sich, dass ein bloßes „Verlagern“ nicht genügt. Dauerhafte Sicherheit entsteht erst, wenn PFAS tatsächlich zerstört werden.
Ein neuer Ansatz: Elektrochemische Zerstörung
Eine der vielversprechendsten Lösungen ist die elektrochemische Oxidation. Dabei werden PFAS-Moleküle direkt im Wasserstrom an speziellen Elektroden regelrecht aufgebrochen – bis sie vollständig verschwinden.
Der entscheidende Vorteil: Es entstehen keine neuen Schadstoffe, sondern die „Ewigkeitschemikalien“ werden endgültig zerstört. Gleichzeitig lassen sich auch andere organische Rückstände mitbehandeln, was den Prozess besonders effektiv macht.
Weitere Vorteile:
- keine zusätzlichen Chemikalien nötig
- Betrieb im wässrigen Medium, ohne Hochtemperaturen
- keine Sekundärabfälle, da PFAS nicht nur gebunden, sondern zerstört werden
Damit eröffnet sich ein neuer Weg für Betreiber von Wasser- und Abwasserinfrastrukturen: PFAS können direkt dort zerstört werden, wo sie entstehen – bevor sie in den natürlichen Kreislauf gelangen
Fallbeispiel: Deponiesickerwasser im Praxistest
Das Münchner Start-up PFASuiki, eine Ausgründung aus dem japanischen Technologiekonzern TDK, hat die Technologie in einem Pilotprojekt erprobt. In Deponiesickerwasser, das durch seine komplexe Zusammensetzung als besonders schwierig gilt, konnten über 95 Prozent verschiedener PFAS-Verbindungen innerhalb weniger Stunden abgebaut werden – teils unter die Nachweisgrenze.
Besonders bemerkenswert: Die Zerstörung gelang trotz hoher Belastungen durch organische Stoffe und Salze. Damit zeigt sich, dass die Technologie auch dort funktioniert, wo herkömmliche Verfahren an Grenzen stoßen.
Die Technologie eignet sich für unterschiedliche Einsatzbereiche – von belasteten Industrie- und Sonderabwässern über Rückstände aus Löschschaum bis hin zu kommunalen Anlagen, in denen PFAS-Konzentrate aus Filtern oder Ionenaustauschern anfallen.
Chancen für öffentliche Betreiber
Für Kommunen und Versorgungsunternehmen bedeutet die Entwicklung vor allem eines: Hoffnung auf eine dauerhafte Lösung:
- Rechtssicherheit: Zerstörung vor Ort reduziert Haftungsrisiken.
- Kostenvorteile: Langfristig geringere Entsorgungskosten durch den Wegfall von Sekundärabfällen.
- Nachhaltigkeit: Beitrag zur Einhaltung von ESG-Zielen und wachsender gesellschaftlicher Erwartung.
- Innovation: Kommunale Betriebe können Vorreiterrollen übernehmen und zeigen, wie moderne Infrastruktur Herausforderungen meistert.
PFAS sind kein Problem der Zukunft – sie belasten bereits heute Wasserwerke, Kläranlagen und Deponien. Die Regulierung verschärft sich, die Risiken steigen. Gleichzeitig zeigt die elektrochemische Zerstörung: Es gibt Wege, PFAS dauerhaft zu eliminieren.
Jetzt gilt es, die Technologien aus Pilotprojekten in die Praxis zu bringen. Wenn Zerstörung statt Verlagerung zur neuen Normalität wird, können Kommunen und Stadtwerke nicht nur ihre Pflicht erfüllen, sondern aktiv eine nachhaltige Zukunft gestalten – zum Schutz von Umwelt, Gesundheit und öffentlicher Infrastruktur.




