Gastbeitrag von
Marco Krasser,
SWW Wunsiedel

Geschäftsführer

SWW Wunsiedel

Nicht die Industrie, sondern vielfach die Netzbetreiber blockieren Innovationen – und bremsen so Speicher, dezentrale Erzeugung und neue Marktmodelle aus. Ihre Transformation ist daher unabdingbar. Soweit die Vision. Stellt sich die Frage, wie der Weg dorthin aussieht.

Schauen wir uns dazu zunächst den Ist-Zustand an: Netzbetreiber sind stark hierarchisch und regelgetrieben organisiert. Das war perfekt für eine stabile Grundversorgung, passt aber nicht zu einem dynamischen Energiesystem. Starre Strukturen, fehlende Flexibilität, langsame Entscheidungsprozesse und eine Kultur der Risikoaversion behindern Investitionen in neue Technologien.

1. Von der bloßen Verwaltung zur Gestaltung des Energiesystems

Netzbetreiber müssen neue Wege gehen, um die Versorgungssicherheit zu erhalten und die Resilienz zu erhöhen. Verteilnetzbetreiber müssen mehr Aufgaben übernehmen. Die Kommunikation mit den Übertragungsnetzbetreibern muss aktiver und bidirektional werden, um deren Bedarf zu begleiten, der sich ständig ändert. Agilität, Datenkompetenz und digitale Führung werden unverzichtbar. Entscheidungen müssen datenbasiert, schnell und lokal getroffen werden. Das Motto heißt: Kooperation statt Abschottung. Netzbetreiber sollten eng mit Stromvertrieb, Erzeugern, Speichern und Aggregatoren zusammenarbeiten, um die Gesamteffizienz zu steigern. Weg also von der Verwaltung und hin zur Gestaltung des Energiesystems.

2. Von der Reaktion auf Engpässe zur proaktiven Steuerung

Natürlich müssen Netzbetreiber dafür neue technische Möglichkeiten aktiv erschließen, statt sie zu blockieren. Moderne Sensorik, Smart Metering und Netzautomatisierung erlauben eine flexible Führung der Netze und präzise Prognosen zum Angebot und zum Bedarf an Energie. Die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Wasserstoff darf nicht an der Vereinzelung der jeweiligen Netzbetreiber scheitern.

Sie verlangt ein Denken über die bisherigen Grenzen von Sparten und Zuständigkeiten hinweg. Statt Netze allein durch deren Ausbau zu stärken, gilt es, sie besser auszulasten – durch intelligentes Lastmanagement, Speicherintegration und Flexibilitäten. Momentan wird vor allem auf Engpässe reagiert. Künftig muss der Energiestrom proaktiv gesteuert werden. Der Fokus muss auf Physik statt auf Formularlogik liegen.

3. Vom Kostenverteiler zum aktiven Anreizgeber für Netzdienlichkeit

Netzbetreiber sind einer der entscheidenden Schlüssel für die Einführung lastvariabler Netzentgelte. Diese sind wiederum nötig, um Flexibilitäten wirtschaftlich zu nutzen. Solche zeitvariablen dynamischen Tarife ermöglichen eine bessere Auslastung der Netze und reduzieren den Investitionsdruck. Die Betreiber der Netze sind gefordert, die entsprechenden technischen Vorgaben für die Bundesnetzagentur mitzuentwickeln, um eine physikalisch sinnvolle und netzdienliche Steuerung in die Marktmechanismen einzubringen. Standardlastprofile bilden die Realität in Zeiten dezentraler Erzeugung und flexibler Verbraucher längst nicht mehr ab. Es muss beim Management auf Echtzeitdaten umgestellt werden, was die unverzichtbaren dynamischen Netzentgelte möglich macht.

4. Vom Zentralismus zur Kooperation

Die Vielzahl der Netzbetreiber in Deutschland ist eine Stärke, keine Schwäche – sie sichert regionale Nähe, Kenntnis der lokalen Strukturen und schnelle Umsetzung. Zentrale oder übergeordnete Strukturen dürfen diesen Vorteil nicht durch Vereinheitlichung von oben verspielen.

Dennoch müssen Netzbetreiber intelligente Kooperationen bei Queraufgaben (zum Beispiel IT, Beschaffung, Netzdaten, Cybersecurity) eingehen, um Synergien zu nutzen. Gemeinsame Plattformen und Standards schaffen Effizienz, ohne die regionale Stärke zu opfern. Kooperationen auf freiwilliger Basis stärken die Selbstorganisation der Branche und fördern Innovation. Dafür sind die passenden Rahmenbedingungen und Anreize nötig. Verbote – etwa für das Betreiben von Speichern oder Ladeinfrastruktur durch Netzbetreiber – sind dagegen unsinnig.

5. Strategische Partner der Kommunen

Netzbetreiber sind eng mit den Kommunen verbunden. Das ermöglicht lokale Energielösungen, Wärmenetze und Speicherprojekte. Eine bessere Koordination bei der Verlegung mehrerer Infrastrukturen (zum Beispiel Strom, Glasfaser, Wasser, Wärme) spart Kosten, reduziert die Zahl der Baustellen und erhöht die Effizienz. Netzbetreiber sollten gemeinsam mit Kommunen eine integrierte Infrastrukturplanung betreiben, um Ressourcen zu bündeln.

6. Intelligente Netze und KI

Ein wichtiger Punkt der Transformation sind intelligente, selbstlernende Netze, die sich dynamisch an Erzeugung und Verbrauch anpassen. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen ermöglichen vorausschauende Netzführung, präzise Engpassprognosen und bessere Auslastung. Digitale Zwillinge der Netze schaffen Transparenz, Simulation und Planungssicherheit. KI kann helfen, Netzplanung und Betrieb auf Echtzeitdaten und Wahrscheinlichkeiten zu stützen statt auf starre Annahmen. Netzbetreiber entwickeln sich dadurch zu aktiven Energiemanagern – mit Verantwortung für Systemoptimierung und Effizienz, nicht nur für Leitungen.

7. Einheitliche Datenarchitektur

Netzbetreiber benötigen eine bundesweit abgestimmte Datenarchitektur, um Behörden-, Markt- und Systemanforderungen effizient zu bedienen. Einheitliche Meldepflichten verhindern Doppelarbeit und schaffen Transparenz. Offene Datenstandards und interoperable Schnittstellen (zum Beispiel nach Gaia-X- oder Ensia-Prinzipien) sind notwendig, um Markt und Netz intelligent zu verknüpfen. Netzbetreiber können und müssen sich an der Definition dieser Standards aktiv beteiligen, um praxistaugliche Lösungen zu sichern.

Fazit – Netzbetreiber als Treiber der Energiewende

Ohne eine tiefgreifende Transformation der Netzbetreiber wird die Energiewende ausgebremst. Sie müssen technisch, organisatorisch und kulturell zu Innovationstreibern werden. Die Zukunft gehört Netzbetreibern, die kooperativ, datengetrieben und systemorientiert agieren. Nur so kann die Branche vom Verwalter zum Enabler der neuen Energiewelt werden.

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