Von Andreas Baumer

Der eigens von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) einberufene wissenschaftliche Beraterkreis für evidenzbasierte Wirtschaftspolitik sieht für den Energiestandort Deutschland trübe Aussichten. Das gilt vor allem für die energieintensiven Branchen des Landes. Diese würden "auf absehbare Zeit unter erheblichen Kostennachteilen leiden, sofern sich die deutsche und die europäische Energie- und Klimapolitik nicht dramatisch ändert", schreiben sie in einem Papier, das den Titel "Eine Wachstumsagenda für Deutschland" trägt.

Die vier wissenschaftlichen Autoren, darunter die Wirtschaftsweise Veronika Grimm (Technische Universität Nürnberg) sowie Ökonom Justus Haucap (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), kritisieren, dass der Strukturwandel oftmals nicht durch Innovationen ausgelöst worden sei, sondern unter anderem durch hohe Energiepreise, die ebenfalls Resultat diverser politischer Entscheidungen gewesen seien. Was genau die Wissenschaftler dabei meinen, führen sie an dieser Stelle nicht aus.

Bei allen Energiewende-Bemühungen werde Deutschland auch perspektivisch aufgrund hoher Netto-Primärenergie-Importe "erhebliche Wettbewerbsnachteile" haben, schreiben die Berater. "Wenn diese politische Präferenz sich fortsetzt, ist davon auszugehen, dass Europas Wettbewerbsvorteile zukünftig eher in weniger energieintensiven Branchen liegen werden."

"Einseitige Festlegung auf Wasserstoff birgt erhebliche Risiken"

Um Wachstum in energieintensiven Branchen zu entfachen, sei es zentral, dort auch Innovationen wie neue Produkte und Produktionstechnologien zuzulassen und diese nicht durch übergriffige Regulierung auszubremsen, erläutert das Gremium. "Ebenso birgt die einseitige Festlegung auf bestimmte Technologien, beispielsweise die Verwendung von Wasserstoff oder Batterien, erhebliche Risiken, sollten sich diese Technologien letztlich international nicht durchsetzen."

Den deutschen Komplettausstieg aus der Kernenergie dürfte aus Sicht des Beraterkreises "sicherstellen", dass Deutschland im Bereich der Energiekosten langfristig Kostennachteile im internationalen Wettbewerb haben werde. "Der Ausstieg aus der Kernenergie ist zudem ein gutes Beispiel für den Verlust an Resilienz, der bei Weitem nicht nur auf den betroffenen Sektor beschränkt bleibt, sondern durch die Wirtschaftsordnung diffundieren und zu mannigfaltigen Blockaden führen kann."

Dieser Passage dürfte in Teilen der Energiebranche heftig widersprochen werden. Der Bau neuer Kernkraftwerke gilt erfahrungsgemäß als außerordentlich teures Unterfangen, das ohne üppige staatliche Subventionen kaum zu stemmen ist. Kernkraftwerke sind zudem auf Brennstoffe wie Uran angewiesen, die Deutschland in der Regel ebenfalls importieren müsste. Für Kernkraftwerksländer wie Frankreich spielt dabei Russland in der Lieferkette eine bedeutende Rolle. Kernkraftwerke sind zudem im Kriegsfall ein enormes sicherheitspolitisches Risiko, wie der Fall des ukrainischen Riesenkraftwerks Saporischja vor Augen führte.

Aufbau der KI-Infrastruktur erschwert

Aus Sicht der Reiche-Berater erschweren höhere Energiekosten beispielsweise den Aufbau der besonders energieintensiven KI-Infrastruktur hierzulande. Dadurch würden ganze Technologiepfade, die heute noch gar nicht absehbar seien, mit hoher Wahrscheinlichkeit nur an anderen Standorten entstehen.

Bei den zentralen Handlungsfeldern, die das Gremium dem Ministerium mit auf den Weg gibt, taucht Energie nur einmal auf. Eine "Energieintegration" auf europäischer Ebene könne Skaleneffekte heben, heißt es.

Mehr zum Thema aus dem ZfK-Archiv:

"Kein Plädoyer für Weiter so": Wer alles hinter Reiches Energieschwenk steht

Ministerpräsident Lies: "Wir brauchen jetzt keinen Neustart der Energiewende"

Lesen Sie weiter mit Ihrem ZfK-Abonnement

Erhalten Sie uneingeschränkten Zugang zu allen Inhalten der ZfK!

✓ Vollzugriff auf alle ZfK-Artikel und das digitale ePaper
✓ Exklusive Analysen, Hintergründe und Interviews aus der Branche
✓ Tägliche Branchen-Newsletter mit den wichtigsten Entwicklungen

Ihr Abonnement auswählen

Haben Sie Fehler entdeckt? Wollen Sie uns Ihre Meinung mitteilen? Dann kontaktieren Sie unsere Redaktion gerne unter redaktion@zfk.de.

Home
E-Paper