Übertragungsnetzentgelte mehr als halbiert: Was das für die Strompreise heißt
Von Andreas Baumer
Die Übertragungsnetzentgelte verringern sich im kommenden Jahr spürbar. Statt aktuell 6,65 Cent pro Kilowattstunde (kWh) werden es nach Angaben der deutschen Übertragungsnetzbetreiber im Durchschnitt nur noch 2,86 Cent sein. Das sind 57 Prozent weniger.
Hauptgrund für den deutlichen Rückgang bei den Netzentgelten ist der geplante Bundeszuschuss. Dieser soll 6,5 Milliarden Euro betragen. Er muss noch final von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.
Wie sich die Übertragungsnetzentgelte auf Unternehmen und Privathaushalte auswirken, hängt von mehreren Faktoren ab. Hier ein Überblick.
Was bedeutet die Netzentgeltsenkung für Verbraucher?
Kommt darauf an, wie viel Strom man im Jahr verbraucht und wo man sitzt. Am stärksten entlastet werden Unternehmen, die direkt am Übertragungsnetz hängen. Das sind vor allem große industrielle Verbraucher.
Bei Haushalten, die ans Verteilnetz angeschlossen sind, kommt in der Regel deutlich weniger an. Laut der Vergleichsplattform Verivox sind es durchschnittlich 1,28 Cent pro kWh. Rechnet man die Umsatzsteuer dazu, sind es 1,52 Cent pro kWh.
Aber: "Je nach Wohnort kann die Senkung der Netzentgelte deutlich stärker oder auch gar nicht ins Gewicht fallen", erklärt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. "Denn Netzgebiete, in denen selbst viel Strom erzeugt wird, sind weniger abhängig von den Übertragungsnetzentgelten. Dort käme entsprechend weniger von der Entlastung an als in Netzgebieten, in denen weniger Strom erzeugt wird."
Verglichen mit den Strompreisen für Haushaltskunden, die zurzeit oft zwischen 30 und 40 Cent pro kWh liegen, entspricht eine Entlastung von null bis zwei Cent pro kWh einer Strompreisreduktion von weniger als zehn Prozent.
Wann kommt die Netzentgeltentlastung wo an?
Im nächsten Schritt müssen die Verteilnetzbetreiber ihre Entgelte berechnen. Dafür haben sie bis zum 15. Oktober Zeit. Danach können die Stromversorger die geänderten Netzentgelte in ihre Preise einfließen lassen.
Wichtig ist: Die Stromversorger sind nicht verpflichtet, die Netzentgeltsenkung zum 1. Januar 2026 weiterzugeben. Inwiefern sie niedrigere Netzentgelte weitergeben müssen, hängt von der individuellen Vertragssituation ab. In anderen Fällen wird die Entlastung auch nicht eins zu eins weitergegeben werden. Oftmals kalkulieren Stromversorger zum Jahreswechsel ihre Preise ohnehin neu. Dann werden Entlastungen bei Netzentgelten etwa mit Änderungen bei Beschaffungs- und Vertriebskosten verrechnet.
Prinzipiell sieht es die Energiebranche nach eigener Aussage aber als selbstverständlich an, die geringeren Netzentgelte an ihre Kunden weiterzureichen.
Wann ist der Netzentgeltzuschuss rechtssicher?
Aktuell befindet sich das entsprechende Gesetz im parlamentarischen Verfahren. Die erste Lesung im Bundestag ist für den 10. Oktober angesetzt. Der Bundesrat wird sich erstmals wohl am 17. Oktober damit beschäftigen. Danach vergehen erfahrungsgemäß einige Tage.
Fest steht: Die Übertragungsnetzbetreiber brauchen bis zum 5. Dezember Rechtssicherheit. Ansonsten müssten sie die neuen Übertragungsnetzentgelte ohne Bundeszuschuss einkalkulieren.
Das heißt: Der Bundesrat müsste das Gesetz bereits am 21. November durchwinken. Zuvor müsste der Bundestag das Gesetz verabschieden.
Was passiert, wenn der Bundeszuschuss doch nicht kommt?
Dann müssten die Übertragungsnetzbetreiber ihre Entgelte entsprechend anpassen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Netzentgelte nach jetzigem Stand auf dem diesjährigen Niveau einstellen würden – also bei rund 6,65 Cent pro kWh.
Sind Netzentgeltzuschüsse eine Dauerlösung?
Die Bundesregierung will auch in den Folgejahren die Übertragungsnetzentgelte bezuschussen. Fest eingeplant ist die Entlastung allerdings bislang nur für das Jahr 2026. So könnten die Zuschüsse in den Folgejahren zum politischen Spielball werden, zumal die Haushaltszwänge nicht kleiner werden dürften.
In der Energiebranche ist das Unbehagen darüber groß. "Unsere Abhängigkeit von staatlichen Subventionen ist in den letzten Jahren immer größer geworden", sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). "Das geht finanziell auf Dauer nicht gut. Das liegt auch nicht im Interesse der Stadtwerke. Wir müssen endlich rauskommen aus der Abhängigkeit von staatlichen Entscheidungen und jährlichen Haushaltsberatungen, um die Strompreise stabil zu halten. Deshalb muss das System selbst stabiler werden."
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