Was gut ist und was fehlt: Stadtwerke-Welt bewertet Reiches Monitoring-Schlüsse

Von Andreas Baumer

Einen Neustart der Energiewende wollte die Union bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen durchdrücken. Ein Energiewende-Monitoring hat sie nach zähem Ringen mit der SPD bekommen. Das liegt nun vor – und trifft bei Größen der Stadtwerkewelt auf ein überwiegend positives Echo.

Die Bundesregierung mache damit einen "wichtigen Schritt", um Fortschritte und Hemmnisse der Energiewende transparent zu machen, teilten die Stadtwerke München (SWM) auf ZfK-Anfrage mit. Das Monitoring bestätige, was in der Branche weitgehend Konsens sei, schrieb Sven Becker, Chef der Stadtwerke-Kooperation Trianel. "Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren enger mit den Netzen verzahnen, mehr Flexibilitätsoptionen schaffen, den Wasserstoffhochlauf beschleunigen, H2-ready-Kraftwerke als Rückgrat der Versorgung aufbauen und ein verlässliches Kapazitätsmarktdesign etablieren." Im Sinne einer effizienten Energiewende solle sich Deutschland auf "marktorientierte und bürokratiearme Lösungen" konzentrieren.

Enercity: Bezahlbarkeit nicht durch weniger Erneuerbaren-Ausbau

Auch Aurélie Alemany, Chefin des Hannoveraner Energieversorgers Enercity, begrüßte die Fokussierung auf Kosten- und Systemeffizienz sowie Digitalisierung. Zugleich hielt sie fest, dass man Bezahlbarkeit nicht durch weniger Ausbau erneuerbarer Energien erreiche, sondern durch die Kombination von mehr günstigem Grünstrom, effizienten Netzen und einer flexiblen Nachfrage. "Daher müssen wir unser Energiesystem weiter bedarfsgerecht ausbauen, es digitalisieren und die Sektorkopplung ausbauen."

Andere Energiesektoren kamen den Stadtwerken München in den Schlussfolgerungen des Wirtschaftsministeriums zu kurz. "Was uns fehlt, ist vor allem ein starker Fokus auf die Transformation des Wärme- und Mobilitätssektors", schrieben sie. "Bei aller berechtigten Diskussion um Strom- und Wasserstoffnetze dürfen wir nicht übersehen, dass die größten Dekarbonisierungspotenziale nach wie vor im Gebäude- und Verkehrsbereich stecken. Hier brauchen wir die gleiche Entschlossenheit, klare und verlässliche Rahmenbedingen und maßgeschneiderte Anreizsysteme."

Zur Vorsicht mahnte EWE-Chef Stephan Dohler, was die Abscheidung und Speicherung oder Nutzung von Kohlenstoffdioxid betrifft. Dies sei nur dort richtig, wo es keine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternative gebe – etwa in der Zementindustrie oder Müllverbrennung. "In Sektoren mit Wasserstoffpotenzial wie Stahl oder Gaskraftwerken würde CCS hingegen den Markthochlauf behindern und fossile Abhängigkeiten zementieren", schrieb er. "Und gerade in diesen beiden Sektoren steht mit dem Einsatz von Wasserstoff eine kostengünstigere Option bereit." CCS ist die englische Abkürzung für die Abscheidung und Speicherung von CO2.

Kommunale Rückendeckung bei Gaskraftwerken

Kommunale Rückendeckung erhielt Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) dagegen für ihren Kurs beim Bau neuer Gaskraftwerke und der Einführung eines technologieoffenen Kapazitätsmarktes. Der Fokus auf Gaskraftwerke, die nicht sofort, sondern erst perspektivisch mit Wasserstoff betrieben werden, sei aufgrund des nicht prognostizierbaren Preises von Wasserstoffs der "richtige Ansatz", richtete Andreas Feicht, Chef des Kölner Versorgers Rheinenergie aus.

"Die strenge Definition von grünem Wasserstoff oder eine zu eng gefasste Definition von kohlenstoffarmen Gasen reguliert detailversessen einen Markt, den es noch gar nicht gibt und erschwert Investitionen", mahnte er. Feicht war unter dem damaligen CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier Energiestaatssekretär.

Thüga-Chef: "Kapazitätsmarkt jetzt"

Constantin Alsheimer, Chef des größten deutschen Stadtwerkenetzwerks Thüga, hieß gut, dass im Maßnahmenpapier des Wirtschaftsministeriums eine Einführung des Kapazitätsmarkts möglichst schon 2027 gefordert wird. "Kapazitätsmarkt jetzt – technologieoffen, dezentral, fair", schrieb er auf der Plattform Linkedin. "Dabei sollte unsere vielfältige Versorgungslandschaft mit rund 70.000 kleineren Anlagen berücksichtigt werden."

Tatsächlich ist noch unklar, für welches Modell sich das CDU-geführte Wirtschaftsministerium aussprechen wird. In Teilen der Union soll es Sympathien für einen zentralen Kapazitätsmarkt geben, für den beispielsweise die Energiekonzerne RWE und Eon, aber auch die Übertragungsnetzbetreiber und die Stadtwerke-Kooperation Trianel plädieren. Teile der SPD wünschen sich dagegen, dass in einem Kapazitätsmechanismus auch beispielsweise industrielle Flexibilität eingebunden wird. Dies würde sich in einem dezentralen Modell vermutlich einfacher darstellen lassen.

Reiches Aussage, dass der Strombedarf in Deutschland im Jahr 2030 eher bei 600 als bei 700 Terawattstunden (TWh) liegen würde, wurde von SPD und Grünen als mutlos kritisiert. Rheinenergie-Chef Feicht sieht die Reduktion der Strombedarfsprognose dagegen positiv. "Dadurch bekommen Stadtwerke mehr Luft, gezielt und sachgerecht zu investieren", kommentierte er.

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