SPD-Vize: "Erneuerbarenbremse nicht mit uns"

Energiepolitisch steht Deutschland vor großen Herausforderungen. Das am Montag veröffentlichte Energiewendemonitoring soll hierfür Leitplanken für die nächsten Schritte identifizieren.

Im Gespräch mit der ZfK gibt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Armand Zorn, Antworten auf die drängendsten Fragen rund um die nächsten energiepolitischen Schritte. Das Interview wurde am Freitag (12. September) geführt.  

Herr Merz und Frau Reiche hatten bereits durchblicken lassen, beim Ausbau der erneuerbaren Energien auf die Bremse treten zu wollen. Wie kommt das bei der SPD an?

Armand Zorn: Über die Erstellung des Monitoringberichts hatten wir uns im Koalitionsvertrag verständigt, um zu sehen: Wo stehen wir? Ich finde, dass es Sinn ergibt, zurückzublicken und zu hinterfragen, was wir gemacht haben. Das gibt uns die Möglichkeit zu erkennen, was es braucht, um am Ende dafür Sorge zu tragen, dass die Energiewende weiter vorangetrieben werden kann – für mich eine gute Sache.

Aber, ich will ehrlich sein: Einige Aussagen, die wir dazu in der Vergangenheit gehört haben, waren beunruhigend. Für uns als SPD ist klar: Wir stehen zum Koalitionsvertrag und den Klimazielen und wir stehen zu dem, was wir in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben.

Wir wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter vorantreiben. Das ist aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive von enormer Bedeutung. Deswegen werden wir nicht mitmachen, wenn es darum geht, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu bremsen.

Im Koalitionsvertrag sind bis zu 20 Gigawatt an Kraftwerkszubau verhandelt worden.Wobei der Zusatz 'bis zu' vor allem in Ihrer Fraktion hochgehalten wird. Wie schwierig wird es in der Koalition werden, dass am Ende auf einen grünen Pfad zu kommen?

Der Koalitionsvertrag ist die Grundlage für das gemeinsame Regieren – er ist hier sehr eindeutig. Auch die Ministerin Reiche hat nach anfänglichen Schwierigkeiten in den letzten Wochen und Monaten immer wieder betont, dass es bis zu 20 Gigawatt sein sollen. Wir als SPD halten das auch weiterhin für den richtigen Weg. Am Ende reden wir wohl von zehn oder zwölf Gigawatt. Also ungefähr das, was wir in der letzten Legislatur bereits versucht hatten auf den Weg zu bringen. Ich bin überzeugt, dass das für unsere Versorgungssicherheit ein sehr wichtiger Schritt ist. Da bin ich guter Dinge, dass wir als Regierung, als Koalition zu einer guten Linie kommen werden.

Aber es muss klar sein, dass es sich bei fossilen Gaskraftwerken immer nur um eine Brückentechnologie handelt – das ist mir sehr wichtig zu betonen. Es ist enorm wichtig, dass die Gaskraftwerke H2-Ready sein müssen. Wir bauen hier Infrastruktur nicht für die nächsten fünf oder zehn Jahre, sondern für die nächsten 30 Jahre.

Neben der ökologischen Perspektive, die nicht von der Hand zu weisen ist, spielt die ökonomische Perspektive bei Fragen der H2-readiness dabei ebenfalls eine große Rolle. Es ergibt keinen Sinn, jetzt Gaskraftwerke zu bauen, um dann in fünf, sechs oder zehn Jahren festzustellen, dass man sie aus Klimaschutzgründen nicht mehr nutzen kann. Wir wollen keine stranded assets.

Frau Reiche betont, dass die Ausschreibungen mit so wenig Auflagen wie möglich kommen, damit es schnell gehen kann. Wie realistisch ist es denn, dass diese dann als H2-ready ausgeschrieben werden?

Anders als es wohl in der öffentlichen Wahrnehmung der Fall ist, gibt es an der Stelle keinen starken Dissens. Meine Fraktion steht in jedem Fall dahinter, die Kraftwerke müssen H2-ready sein, das ist für uns ein sehr wichtiger Punkt. Auch Frau Reiche zeigt sich in ihren Statements mittlerweile dafür offen. Deswegen werden wir dafür sorgen, dass es auch so kommt.

Glauben Sie daran, dass in diesem Jahr noch ausgeschrieben wird?

Ich kann es gar nicht einschätzen. Jetzt liegt der Monitoring-Bericht vor, der als Grundlage für die weiteren Entscheidungen dienen wird. Auch beihilferechtlich ist einiges zu klären. Fakt ist natürlich, dass wir alle energiepolitischen Themen schnell angehen müssen. Das gilt sowohl für die Gaskraftwerke als auch den Ausbau der erneuerbaren Energien. Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Klimaneutralität sind hier die Aspekte, die uns in den nächsten Wochen leiten werden.

Die Union hat vor dem Hintergrund der EnWG-Novelle angekündigt, die Rolle der Bundesnetzagentur, gerade im Bereich Festlegungskompetenzen, prüfen zu wollen. Sollte die Politik wieder mehr Einfluss bekommen?

Am Ende muss die Bundesnetzagentur neutral sein und neutral handeln. Wir erkennen an, dass es nicht immer möglich ist. Über den Beirat der BNetzA haben wir auch eine Möglichkeit der politischen Beteiligung, die auch in der Vergangenheit immer wieder wahrgenommen wurde. Das ist etwas, was wir in den nächsten Wochen ausdiskutieren werden – mehr kann ich zum jetzigen Stand nicht sagen.

Gerade mit Blick auf die Förderung von Wärmepumpen gab es im Sommer verschiedene Äußerungen aus der Union. Andreas Lenz von der CSU hatte zuletzt gefordert, Haushalte mit höheren Einkommen aus der Förderung zu nehmen und dafür steuerliche Anreize zu bieten. Wäre das ein Kompromiss für die SPD? 

Bei der Haushaltslage ist es klar, dass wir Prioritäten setzen müssen. Die Mittel sind begrenzt und insbesondere diejenigen, die das am meisten brauchen, sollen am Ende die Förderung bekommen.

In der letzten Legislaturperiode haben wir die Weichen gestellt, um die Klimaneutralität auch im Gebäudesektor auf den Weg zu bringen. Ich will selbstkritisch sagen, dass wir im ersten Entwurf des GEG einige Fehler hatten. Damals haben wir als Ampelkoalition vielleicht auch die Zeit oder zumindest die Stimmung im Land nicht richtig verstanden. Und das in einer Situation, in der viele Menschen verunsichert waren, wo wir mit sehr vielen Herausforderungen zu kämpfen hatten. Der zweite Entwurf und letztendlich das, was auf den Weg gebracht wurde, auch mit der kommunalen Wärmeplanung, war wesentlich besser. Das ist eine gute Grundlage.

Die Union sieht aber noch Handlungsbedarf.

Die Union hat Bedarf angemeldet und so haben wir das auch im Koalitionsvertrag vereinbart – wir wollen das Gebäudeenergiegesetz reformieren. Auf die Ausgestaltung sind wir gespannt. Wir werden uns in der Debatte konstruktiv beteiligen. Die geforderte Technologieoffenheit, die sich die Union wünscht, unterstützen wir ebenfalls, solang es keine Chiffre für Verzögerungstaktiken sind. Ich persönlich finde, dass wir jetzt schon technologieoffen sind. Man kann bereits jetzt eine Vielzahl von Heizungstechnologien mit dem Gebäudeenergiegesetz umsetzen. Dass manche ökonomisch keinen Sinn machen und sehr schwierig sind, sei mal dahingestellt. Aber die Möglichkeit besteht.

Ein anderer Aspekt im BEG, der von Unionsseite zuletzt hinterfragt wurde, ist die 65 Prozent Erneuerbaren Regelung beim Einbau neuer Heizungen.

Für uns ist klar, die 65 Prozent erneuerbare Energien brauchen wird auch weiterhin. Das ist auch die Rückmeldung, die ich aus der Branche bekomme. Es wird sich Stabilität und Planungssicherheit gewünscht. An dieser Stelle in eine Debatte zu gehen und beispielsweise von 60 Prozent zu sprechen, würde für viel Unruhe sorgen. Deswegen sollten wir das am Ende gar nicht erst machen.

Die kommunale Wärmeplanung, die bereits in vielen Kommunen passiert, ist ein elementarer und wichtiger zusätzlicher Schritt, um dafür zu sorgen, dass die Transformation am Ende gelingt. Wenn ich nicht weiß, ob es ein Fernwärmenetz bei mir in der Nachbarschaft gibt, dann stehe ich natürlich vor einer schwierigen Entscheidung. Deswegen ist es gut, dass das kommt.

Sie haben die Planungssicherheit bereits angesprochen. Wann steht das BEG-Thema den auf der Agenda – wann wird das angegangen?

Das ist ein Thema, was ziemlich bald auf die Tagesordnung gehört. Wir erwarten, dass das Bundeswirtschaftsministerium einen entsprechenden Referentenentwurf verfasst und am Ende uns als Parlament ein Gesetzesentwurf vorliegt, womit wir dann arbeiten können. Ich hoffe, dass dies bald erfolgt – höchstwahrscheinlich noch dieses Jahr.

Ein weiteres Knirschthema in der Koalition ist bekanntlich die Kohlenstoffabscheidung – CCS-Technologie. Wie wird das Thema aktuell in der Regierung behandelt, ist auf einem gemeinsamen Weg?

Gestern hatten wir die erste Lesung im Plenum, es ist gut, dass wir jetzt die entsprechende Beratung bekommen. Mit der Union teilen wir die Sicht, dass es CCS und Co. notwendig sind, um die Wirtschaft zu stärken und den industriellen Kern unseres Landes nicht zu verlieren. Letzteres spricht uns ja quasi aus der sozialdemokratischen Seele. 

Klingt nach Einigkeit?

Es gibt noch einige Detailfragen, die geklärt werden müssen. Vor allem die Frage des Einsatzgebietes. Wir wollen die Technologie auf schwer vermeidbare CO2-Emissionen fokussieren. Die Zementindustrie ist hier ein viel bemühtes Beispiel. Es gibt nun mal Bereiche, in welchen sich CO2 nicht vermeiden lässt, gerade auch in der chemischen Industrie. Ob CCS bei den Gaskraftwerken eine Rolle spielen soll, oder ob das ökonomisch überhaupt Sinn macht, muss noch geklärt werden. Von Seiten der SPD sehen wir, dass es diese Technologie braucht – in welchem Umfang, werden wir im Gesetzgebungsverfahren klären.

Wo wir gerade bei neuen Technologien sind, wie sieht es mit dem Wasserstoffhochlauf aus. Befinden wir uns hier noch auf Kurs?

Der Wasserstoffhochlauf läuft zu langsam – das ist klar. Wir brauchen genug Wasserstoff-Abnehmer, das ist nach wie vor unser Hauptproblem. Der Markt muss sich hier erst noch einruckeln. Gerade in der Stahlindustrie wird Wasserstoff eine große Rolle spielen. Ich bin sehr erfreut, dass es einen Stahlgipfel geben wird im Kanzleramt, nachdem wir als SPD lange darauf gepocht haben.

Im Sommer war ich auch bei ThyssenKrupp vor Ort und habe gesehen, wie stark die Stahlindustrie eigentlich schon arbeitet und wie hart sie kämpft mit den momentanen Bedingungen. Deshalb ist die Frage von Wasserstoff, grünem Wasserstoff am Ende, für mich eine sehr zentrale. Denn am Ende geht es dabei darum, ob wir als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig aufgestellt sind. Wir machen uns gerade aktiv Gedanken darüber, mit welchen Garantieinstrumenten der Hochlauf gelingen kann.

Bis 2032 soll das Wasserstoff-Kernnetz stehen – realistisch oder Utopie?

Wenn wir jetzt die richtigen Impulse setzen, ist das noch erreichbar. Viel Zeit bleibt nicht mehr, aber das schaffen wir. Glücklicherweise sind ja 60% der Kernnetzleitungen Umwidmungen mit leichten Anpassungen, kein Neubau. Wir erwarten, dass das Wirtschaftsministerium sich nicht nur um Gaskraftwerke kümmert, sondern dass die Fragen rund um Wasserstoff auch entsprechend behandelt werden, denn sie haben eine unfassbare Relevanz für unseren Wirtschaftsstandort.

Das Interview führte Lucas Maier. 

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