Senatorin kündigt nach Anschlag neues Resilienzkonzept an
Von Lucas Maier
Rund 50.000 Berliner Haushalte sind Anfang des Monats vom Stromnetz getrennt worden. Hintergrund war ein Brandanschlag.
Als Reaktion darauf kündigte Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft und Energie, am Dienstag an: "Wir brauchen ein neues Resilienzkonzept." Darauf habe man sich am Vortag in einer Strategierunde geeinigt. Bei der Frage der Sicherheit der kritischen Infrastruktur stehe man vor "ganz anderen Herausforderungen, als es bisher der Fall war".
Man werde die Zusammenarbeit mit Polizei und Ermittlungsbehörden intensivieren und noch mehr auf Überwachungstechnologien setzen. Was ein solches Konzept darüber hinaus umfassen werde, führte die Senatorin nicht weiter aus. Dass man einer höheren Anschlagswahrscheinlichkeit ausgesetzt ist, sei kein deutsches Problem. Auch andere Länder würden vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
Die Ankündigung Giffeys erfolgte im Rahmen der Unterzeichnung eines Kreditvertrages in Höhe von 380 Millionen Euro, der zwischen Europäischer Investitionsbank und der Berlin Energie und Netzholding GmbH geschlossen wurde.
Es ist der erste Teil einer Gesamtinvestition von 770 Millionen Euro, die in das Stromnetz der Hauptstadt fließen sollen. "Letzten Endes muss in ganz Europa das Netz so intelligent aufgestellt sein, wie es jetzt in Berlin passiert", sagte die Vizepräsidentin der Europäischen Investmentbank, Nicola Beer, vor der Unterzeichnung des Vertrages.
Geld soll auch in Resilienz fließen
Erik Landeck, der Geschäftsführer von Stromnetz Berlin, kündigte an, dass ein Teil des Investitionsvolumens in die Resilienzerhöhung des Netzes fließen soll. Welche technischen Maßnahmen in Zukunft das Berliner Netz schützen sollen, teilte das Unternehmen auf ZfK-Nachfrage nicht mit. Zu groß seien die Sicherheitsbedenken. Aber: "Jede Investition ins Netz, ob Erneuerung oder Erweiterungen hilft am Ende der Widerstandsfähigkeit", sagte ein Sprecher. Man könne, je nach Interpretation, sagen das quasi 100 Prozent der Investitionen zur Resilienz des Hauptstadtnetzes beitragen.
"Man wird keine 100-prozentige Sicherheit im Stromnetz erreichen, bei 35.000 Kilometern Stromnetz", heißt es von Giffey. Aber man sei mit über 90 Prozent Erdverkabelung in Berlin bereits weitaus sicherer aufgestellt als es in vielen anderen Ländern der Fall sei. Denn Freileitungen würden immer eine Angriffsfläche bieten. Stromnetz Berlin bestätigte im Gespräch mit der ZfK, dass man auch weiter auf den Ausbau der Erdverkabelung setze. Allerdings müsse sich das am Ende auch volkswirtschaftlich rentieren.
Nicola Beer betonte im Gespräch mit der ZfK, dass es auch auf die Netzgestaltung ankomme. Mehr Knotenpunkte würden im Falle eines Ausfalls sicherstellen, dass die Kundinnen und Kunden schnell wieder angeschlossen werden könnten. Stromnetz Berlin pflichtete dem bei. Auch der jüngste Anschlag habe gezeigt, dass man schlicht und ergreifend mehr Optionen hätte. "Damit kann man die Störung so klein, wie möglich halten."
Netze krisensicher machen
Aus Sicherheitsgründen äußerte sich die Betreibergesellschaft nicht zu einzelnen technischen Lösungen, die das Berliner Netz in Zukunft sicherer machen sollen. "Ich glaube, wir sind grundsätzlich schon sehr gut ausgestattet", sagte ein Sprecher auf Nachfrage.
Am Markt gäbe es bereits einige aussichtsreiche technische Lösungen, sagte Beer. Neben der rein physischen Abwehr von Angriffen, etwa durch Erdverkabelung, gäbe es auch aussichtsreiche digitale Systeme. So gäbe es bereits Lösungen, die mögliche Angriffe frühzeitig erkennen und direkt die zuständigen Sicherheitsbehörden alarmieren könnten. Technisch sind diese Systeme bereits so weit ausgereift, dass sie ausgerollt werden können.
Senatorin lobt kommunale Daseinsvorsorge
Das neue Resilienzskonzept werde man in Zusammenarbeit mit Stromnetz Berlin, sowie den Kriseninterventionsteams und weiteren Partnern erarbeiten, kündigte Giffey an. "Denn es ist ja eine gute Sache, dass Strom, Wasser und Wärme – die wesentlichen Punkte unserer Infrastruktur und der Daseinsvorsorge – in Landesverantwortung liegen. Es sind einfach die Dinge, die jeder Mensch in dieser Stadt braucht." Die Politik der Rekommunalisierung der letzten Jahre habe sehr gute Voraussetzungen geschaffen, den Dreiklang aus Preisstabilität, Versorgungssicherheit und Zukunftsinvestitionen umzusetzen.
Für Berlin wird erwartet, dass sich der Strombedarf in den kommenden zehn Jahren verdoppelt. "Wir haben eine Struktur, die vor 100 Jahren angefangen hat, sich zu entwickeln. Wenn man jetzt sieht, dass wir in den nächsten zehn Jahren noch mal so viel schaffen müssen, sieht man, wie groß die Aufgabe ist, die vor uns liegt."



