Genehmigungs-Dschungel bremst Abwärmenutzung
Von Jürgen Walk
Industrielle Abwärme gilt als zentrales Element der Wärmewende. Eine rechtliche Analyse des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität (Ikem) im Rahmen des Projekts "hyBit – Hydrogen for Bremen’s industrial Transformation" zeigt jedoch ein Problem. Die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Nutzung industrieller Abwärme sind weiterhin fragmentiert und teilweise lückenhaft. Es fehlt ein bundesweit gültiger, einheitlicher Rechtsrahmen mit effizienten und transparenten Genehmigungsverfahren. Untersucht und dargestellt werden die Schwierigkeiten am Beispiel eines Stahlwerks im Industriehafen Bremen.
Während der Stromsektor bereits erhebliche Fortschritte bei der Dekarbonisierung erzielt hat, bleibt die Wärmeversorgung in Deutschland noch stark von fossilen Energieträgern abhängig. Das Bundes-Klimaschutzgesetz schreibt vor, dass Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral sein muss. Auch die europäische Richtlinie RED III (Renewable Energy Directive) lenkt den Fokus auf erneuerbare Wärmequellen und die Nutzung von unvermeidbarer Abwärme. Vor diesem Hintergrund bietet die industrielle Abwärme, insbesondere in städtischen Industriegebieten wie dem Bremer Industriehafen, erhebliche Potenziale.
Der einheitliche Rechtsrahmen fehlt
Aber: Für die Errichtung von Wärmespeichern, Wärmepumpen und Wärmetauschern gelten unterschiedliche Genehmigungsregeln. Diese variieren je nach technischer Ausgestaltung und Standort zwischen Bau-, Immissionsschutz-, Wasser- und gegebenenfalls Bergrecht. Große saisonale Speicher oder Aquiferwärmespeicher, also unterirdische Speicher, die Grundwasserleiter nutzen, erfordern beispielsweise häufig wasserrechtliche Erlaubnisse. Unter Umständen greifen außerdem naturschutzrechtliche Eingriffsregelungen. Wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, können Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) notwendig sein.
Für die Zukunft besonders wichtig ist laut Studie zudem die Frage nach einem verbindlichen Rechtsrahmen für die Einspeisung von Abwärme in bestehende Wärmenetze. Bisher existiert auf Bundesebene kein allgemeiner Anspruch für Abwärmeerzeuger, ihre Wärme in öffentliche Netze einzuspeisen. Zwar lassen sich in Einzelfällen kartellrechtliche Ansprüche aus § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) herleiten. Diese sind aber aufwendig und nur einzelfallbezogen.
Landesrechtliche Ansätze wie § 23 des Berliner Energiewendegesetzes, der ein Anschlussrecht für klimaschonende Wärme vorsieht, könnten als Vorbild dienen. In Bremen fehlt bislang eine entsprechende Regelung, obwohl die kommunale Wärmeplanung bis Ende 2025 abgeschlossen sein soll.
Lücken auch auf europäischer Ebene
Auch auf europäischer Ebene bleibt die RED III hinter einer klaren Verpflichtung zum Drittzugang zurück. Die Richtlinie regt zwar an, dass Betreiber von Fernwärmenetzen den Zugang für erneuerbare Wärme und Abwärme ermöglichen sollen. Zwingend vorgeschrieben ist es jedoch nicht. Das bedeutet, dass auf nationaler Ebene politische Initiativen erforderlich sind, um verbindliche Einspeiserechte zu schaffen. Nur so lässt sich Investitionssicherheit gewährleisten, heißt es in der Studie.
Für die zukünftige Entwicklung der Abwärmenutzung ist daher entscheidend, dass Genehmigungsverfahren effizienter und transparenter gestaltet werden. Ebenso notwendig wäre ein klarer Rechtsrahmen für den Zugang zu Wärmenetzen. Städte wie Bremen können so industrielle Abwärme systematisch in ihre Wärmeplanung integrieren und die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung schaffen, heißt es in der Studie. Ein bundesgesetzlicher Einspeiseanspruch sowie standardisierte Verfahren würden die Umsetzung erheblich beschleunigen und die Wärmewende im industriellen Umfeld vorantreiben.
Denn eigentlich bestehen solide Anreize für die Nutzung von industrieller Abwärme, die bislang jedoch durch rechtliche Unsicherheiten bei Einspeisung und Netzanschluss gebremst werden. Eine Schlüsselrolle spielt die kommunale Wärmeplanung. Das neue Wärmeplanungsgesetz (WPG) verpflichtet die Länder und Gemeinden, flächendeckende Wärmepläne zu erstellen. Für Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern, wie Bremen, endet die Frist am 30. Juni 2026. Diese Pläne müssen Potenziale für die Nutzung unvermeidbarer Abwärme berücksichtigen und Strategien zur Netzentwicklung für die Dekarbonisierung enthalten. Für neue Wärmenetze gilt eine Mindestquote von 65 Prozent erneuerbarer Wärme oder Abwärme. Bestehende Netze müssen bis 2045 vollständig klimaneutral sein.
Finanzielle Unterstützung bietet ein Bündel von Förderprogrammen. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) unterstützt den Neu- und Ausbau von Netzen mit hohem Anteil an erneuerbarer Wärme oder Abwärme. Unternehmen, die Abwärme auskoppeln, können über die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz (EEW) Zuschüsse oder Kredite mit Tilgungszuschüssen erhalten. Ergänzend fördern die BEG-Richtlinien (Bundesförderung für effiziente Gebäude) den Anschluss von Gebäuden an Wärmenetze.



