Kooperationsprojekt in Berlin: Mit Abwasserwärmetauscher zur Klimaneutralität
Von Artjom Maksimenko
In "Siemensstadt Square" entsteht Europas größter Abwasserwärmetauscher, der die Wärme aus Abwasser nutzbar macht. Gemeinsam mit dem Energie- und Infrastruktur-Dienstleister Getec und den Berliner Wasserbetrieben setzt Siemens damit ein Zeichen für klimaneutrale Stadtentwicklung. Das Quartier wird zukünftig CO₂-neutral mit Wärme und Kälte versorgt. Das Wärmewende-Projekt in Berlin hat zudem ein erhebliches Skalierungspotenzial.
Mit der aus dem Abwasser gewonnenen Wärme sowie weiteren Umweltenergien wird der Siemens-Standort zu 100 Prozent CO₂-neutral mit Wärme und Kälte versorgt, verspricht das Unternehmen. Mit dem von Siemens und Getec entwickelten Energiekonzept setzt Siemensstadt Square dabei Maßstäbe. Das ausgerufene Ziel ist die Klimaneutralität bis 2030.
Abwärmepotenzial noch ungenutzt
Die im Abwasser enthaltene Wärmeenergie steht ganzjährig zur Verfügung und bietet ein enormes Potenzial. Laut den Berliner Wasserbetrieben (BWB) liegt das Gesamtpotenzial an Abwasserwärme allein in Berlin bei etwa 200 Megawatt Entzugsleistung. Bislang wurde es jedoch kaum genutzt. In Kombination mit hocheffizienten Wärmepumpensystemen kann die Abwasserwärme sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen eingesetzt werden.
Mit seinem Referenzprojekt zeigt das Vorhaben, wie dies gelingen kann. Siemens baut dafür sein 76 Hektar großes Industrieareal zu einem Berliner Zukunftsort aus. In diesem neuen Stadtquartier werde künftig nicht nur produziert, sondern auch gewohnt, gearbeitet, gelernt und geforscht, kündigt das Unternehmen an. "Siemensstadt Square" ist ein Leuchtturmprojekt der "Made for Germany"-Initiative und wird Berlin sowie den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter stärken.
Leuchtturmprojekt "Made for Germany"
Bei "Made for Germany", wie die Kooperationspartner das Projekt einordnen, haben sich führende Unternehmen und Investoren branchenübergreifend für eine starke, erfolgreiche und zukunftsfähige Wirtschaft in Deutschland zusammengeschlossen. Ein zentraler Bestandteil des Energiekonzepts ist die Nutzung von Abwasserwärme. Direkt entlang der Nonnendammallee fließt Abwasser mit einem Volumen von 400 bis 1.000 Litern pro Sekunde zum Klärwerk Ruhleben. Siemens und Getec haben in Zusammenarbeit mit den Berliner Wasserbetrieben ein Konzept entwickelt, bei dem die Wärme des Abwassers über Wärmepumpen rund 85 Prozent des Heiz- und Kühlbedarfs in Siemensstadt Square decken kann. Die restlichen 15 Prozent der Wärme werden über Luftwärmepumpen erzeugt. Der für den Betrieb notwendige Strom stammt vollständig aus erneuerbaren Quellen, wodurch allein für die von Siemens genutzten Gebäude jährlich 1.700 Tonnen CO₂ eingespart werden.
Für die Wärmegewinnung kommt eine von Siemens entwickelte Anlagentechnik zum Einsatz. Ein 4-Schleifen-Wärmetauscher mit einem Durchmesser von 1,40 Metern und einer Länge von rund 800 Metern entzieht dem Abwasser die Wärme, bevor es wieder in die Hauptleitung zurückgeleitet wird. Über Vor- und Rücklaufleitungen wird die Wärme zur Energiezentrale transportiert, wo Wärmepumpen die Temperatur auf bis zu 55 Grad Celsius erhöhen und das Nahwärmenetz speisen. Die Anlage erreicht eine thermische Leistung von bis zu 10 Megawatt, vergleichbar mit der Heizleistung von etwa 1.000 modernen Einfamilienhäusern, und übernimmt im Sommer auch die Kühlung des Quartiers.
Langfristiges Joint Venture
Zur langfristigen Umsetzung des Projekts haben Siemens und Getec 2024 das Joint Venture "NewEnergySquare GmbH" gegründet. Dieses übernimmt Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb der Energiezentrale sowie des Abwasserwärmetauschers und der Wärme- und Kältenetze. Ziel ist es, die klimafreundliche Versorgung des Quartiers zu gewährleisten und gleichzeitig eine Blaupause für andere Stadtquartiere zu schaffen.
Das Projekt wird von politischen Akteuren und Behörden unterstützt und ist Teil der Berliner Klimastrategie. Vertreter:innen der Stadt und des Bezirks betonen die Bedeutung der Anlage für die CO₂-Reduktion und die nachhaltige Stadtentwicklung. Die Finanzierung wird über die Bundesförderung für effiziente Wärmenutzung (BEW) unterstützt, wodurch das Vorhaben sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich tragfähig umgesetzt werden kann.



