Spanien-Blackout: Was der Zwischenbericht verrät – und was nicht
Von Julian Korb
Dem massiven Blackout in Spanien und Portugal Ende April sind außergewöhnliche Spannungsschwankungen vorausgegangen. Die Phase schwerwiegender Netzausfälle begann einige Millisekunden nach 12.32 Uhr und 57 Sekunden in der Region Granada, wie aus dem Zwischenbericht eines Expertengremiums hervorgeht, den der Verband europäischer Übertragungsnetzbetreiber (Entso-E) bereits am vergangenen Freitag veröffentlicht hat. In kurzer Zeit fielen stufenweise Erzeugungsanlagen auf der iberischen Halbinsel aus. Auch ein kleiner Teil Frankreichs war betroffen.
Die Ermittlung der genauen Ursache dauert den Angaben zufolge noch an. Ein Abschlussbericht solle voraussichtlich im ersten Quartal 2026 veröffentlicht werden. "Er wird eine detaillierte Ursachenanalyse und Empfehlungen enthalten, wie ähnliche Ereignisse im europäischen Stromnetz in Zukunft verhindert werden können", kündigte Entso-E in Brüssel an.
Deutschland besser angebunden
Der am Freitag veröffentlichte Sachverhaltsbericht enthält auf 264 Seiten eine detaillierte Beschreibung der Abfolge der Ereignisse, die im Vorfeld und im Anschluss an den Stromausfall stattfanden. Grafiken zeigen, wie die Stromversorgung am 28. April zusammenbrach. Der beispiellose Vorfall sei "das bedeutendste Ereignis im europäischen Stromnetz seit über zwei Jahrzehnten", schreiben die Fachleute in dem Bericht.
Vor allem lasse sich anhand der Daten ablesen, dass es eine Vorgeschichte gegeben habe, erklärte Dominik Schlipf vom Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW in Stuttgart. Auch verdeutlicht die Zusammenstellung aus Sicht des Leiters Systemstabilität, wie komplex das europäische Verbundsystem ist.
Deutschland ist nach Auskunft der vier hiesigen Übertragungsnetzbetreiber gut an die europäischen Nachbarländer angebunden. "Es ist durch seine zentrale Lage deutlich stärker vermascht als die iberische Halbinsel." Da die Ursachen für den Blackout in Spanien und Portugal noch nicht abschließend geklärt seien, könnten derzeit allerdings keine belastbaren Aussagen darüber getroffen werden, wie ein solcher Fall konkret in Deutschland abgewickelt worden wäre.
Zusätzliche Notmaßnahmen möglich
Generell sei das europäische Verbundnetz auf einen zeitgleichen Ausfall von drei Gigawatt Erzeugungsleistung ausgelegt – unabhängig vom Energieträger. Sollte das passieren, bekämen Verbraucherinnen und Verbraucher davon nichts mit. "Noch größere zeitgleiche Erzeugungsausfälle können zusätzliche Notmaßnahmen erfordern, um das System zu stabilisieren", hieß es.
Ferner arbeiten die Unternehmen nach eigenen Angaben kontinuierlich daran, die Systemstabilität zu gewährleisten und das Stromversorgungssystem gegen Ausfälle zu wappnen. Dass diese Strategie richtig sei, untermauere die bisherige Analyse des Stromausfalls Ende April, sagte Schlipf von TransnetBW.
Weitere offene Fragen
Der nun vorgelegte Zwischenbericht der europäischen Übertragungsbetreiber befasst sich vor allem mit einer Beschreibung der Ereignisse – nicht mit den Ursachen. So ist weiterhin nicht letztgültig geklärt, was den Ausfall mehrerer Wind- und Solaranlagen vor dem Blackout auslöste. Eine zu hohe Netzspannung gilt Fachleuten zufolge als wahrscheinlichste Erklärung, ist aber von Entso-E weiterhin nicht offiziell bestätigt. Gleiches gilt für den Ausfall mehrerer Transformatoren. Diese schalteten sich in manchen Fällen wegen Überspannung ab, in den meisten Fällen ist der Grund jedoch unbekannt.
Durch den Ausfall der Transformatoren fehlten im spanischen Übertragungsnetz schlagartig rund 2 Gigawatt (GW) der Last, was zu einem Frequenzabfall führte. Gleichzeitig stieg die Spannung an, weil einige der abgeschalteten Anlagen Blindleistung verbraucht hatten. Die Überspannung führte schließlich zu einer Reihe von weiteren Ausfällen, als sich Anlagen vom Netz trennten.
Die Autoren des Berichts sehen das Hauptproblem deshalb auch in der Steuerung der Netzspannung. Offenbar waren die bestehenden Mechanismen nicht in der Lage, die Schwankungen am 28. April zu bewältigen. Als Konsequenz daraus plant Spanien, erneuerbare Energien künftig stärker in die Spannungsregelung miteinzubeziehen. Der Bericht weist den Erneuerbaren allerdings keine grundsätzliche Verantwortung für den Blackout zu.
Andere Experten hatten zuletzt darauf hingewiesen, dass in der betroffenen Region in Südspanien im Vorfeld des Blackouts nur wenig Trägheit durch regelbare Kraftwerke zur Verfügung stand. Gleichzeitig war zu der Zeit ein Überschuss Solarstrom im Netz und es waren bis zu 5 GW an Stromexporten nach Frankreich vorgesehen, was zahlreiche Schalthandlungen des Netzbetreibers erforderte. Auch fehlte es dem System möglicherweise an Kapazitäten für einen sogenannten Schwarzstart, also Kraftwerke, die unabhängig vom Netzzustand hochfahren können. (Mit Material der Deutschen Presse-Agentur)



