Nest-Prozess: Netzagentur bleibt bei Kritik gelassen

Von Lucas Maier

Die Energiebranche steht aktuell vor vielen Veränderungen und Umbrüchen. Der sogenannte Nest-Prozess der Bundesnetzagentur (BNetzA) spielt hierbei eine gewichtige Rolle. Auf dem VKU-Stadtwerkekongress stellte sich Barbie Haller, die Vizepräsidentin der BNetzA, der Diskussion mit Michael Maxelon, Vorstand beim Frankfurter Energieversorger Mainova.

Aus der Branche wurde zuletzt immer wieder die Befürchtung laut, dass kleinere und mittlere Unternehmen im Zuge des Nest-Prozesses schlechter gestellt werden könnten. "Der Erhalt und die Stärkung der Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber ist etwas, was wir sehen und was wir auch verfolgen", positionierte sich Haller zu den Bedenken.

Allerdings sei das Energie-Regulierungssystem wahnsinnig komplex. "Wo wir können, versuchen wir, Vereinfachungen zu erreichen, das System leichtgängiger zu machen." Wenn man das energiewirtschaftliche Dreieck in der Balance halten wolle, müsse man auch die Bezahlbarkeit angehen.

Ziel der BNetzA sei deshalb auch, dass "Kunden schneller etwas von den Effizienzschritten spüren." Die Systemumstellung halte mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht Schritt, da müsse man jetzt ran. "Wir stehen erst am Anfang. Es bleibt viel zu tun", sagte Haller.

Stadtwerke als "Bremsklötze"

Dass es Veränderungen braucht, unterstreicht auch Maxelon. "Wir haben keinen Raum für Ineffizienzen, das zeigt das Monitoring aus dem Wirtschaftsministerium. Aber es muss uns gemeinsam gelingen, die Energiewende ins Ziel zu bringen. Da darf uns die Puste nicht ausgehen."

Auf eine frühere Aussage der BNetzA, dass Stadtwerke die "Bremsklötze der Energiewende" seien, stellte Haller klar: "Es gibt von unserer Seite keine Kritik an kommunalen Unternehmen. Wir sind neutral und unterscheiden nicht nach Größe."

Die Umstellungen bei den Regulierungen würden alle Netzbetreiber vor große Aufgaben stellen. Aber: "Wir versuchen diese so zu gestalten, dass alle Netzbetreiber damit klarkommen können. Wir wollen die Bezahlbarkeit sichern."

Nest als Strukturpolitik?

Dem Vorwurf, dass die BNetzA mit dem Nest-Prozess Strukturpolitik gegen kleine und mittlere Netzbetreiber fahren würde, verwehrte sich Haller entschieden. Die Bundesnetzagentur strebe keine Reduzierung der Netzbetreiber in Deutschland an. "Das wird sich auch durch Nest nicht ändern."

Zudem könne sie die Kritik, dass der Effizienzvergleich in Zukunft für mehr Netzbetreiber gelten würde, nicht nachvollziehen. "Jedes Mal vor Regulierungsperiode wird neu justiert. Dann berücksichtigen wir es, wenn die Unternehmen zusätzlich in den Effizienzvergleich kommen." Daran anschließend, Maxelon: "Unsere Unternehmen sind alle effizient."

24 Stunden Lieferantenwechsel als Digitalisierungsbooster

Darauf angesprochen, ob die Netzagentur vor dem Hintergrund der massiven Aufgaben, wie beispielsweise dem 24-Stunden-Lieferantenwechsel, wirklich von einer Entlastung für die Kunden ausgehen würde, antwortete Haller: "Ich kenne keinen Kunden, der wirklich in 24 Stunden seinen Lieferanten wechseln will."

Es gehe dabei viel mehr um die technischen Veränderungen. "Unternehmen haben durch den Druck, der im Zuge der des Lieferantenwechsels aufgebaut wurde, einen großen Schritt gemacht." Ohne Digitalisierung könne man viele Zukunftsaufgaben nicht bewältigen. "Ich weiß, dass das für viele Unternehmen ein großes Problem war. Aber ich glaube, dass Dinge, die vielleicht schon die letzten 7, 8 oder 9 Jahre in der Digitalisierung angestanden hätten, jetzt umgesetzt worden sind."

Reaktion auf VKU-Umfrage

Im Juli dieses Jahres hat Stadtwerkeverband VKU eine Umfrage zu den erwarteten Folgen des Nest-Prozesses erstellt. Das Ergebnis: Die geplanten Änderungen bewerteten 87 Prozent der befragten Unternehmen als negativ oder sehr negativ.

Die gesamten Ergebnisse finden Sie hier.

Mit der Brancheneinschätzung konfrontiert, reagierte die Vizepräsidentin der ausführenden Behörde gelassen. "Wir befinden uns in einer kritischen Phase des Prozesses, wir stehen kurz vor dem Abschluss." Es sei absehbar gewesen, dass vor diesem Hintergrund noch mal stärkere Kritik komme. "Die Herausforderungen sind immens. Das liegt aber nicht nur an der Regulierung, sondern auch an der Umstellung an sich."

Kritik an Eigenkapitaldiskussion

Auf die Frage, ob man von einer Entlastung der Kunden ausgehen könne, zeigte sich Maxelon weitaus skeptischer als seine Vorrednerin. "Nach dem Monitoringbericht wissen wir jetzt, wo wir in der Energiewende stehen und wie wir Kosten senken könnten." In der ganzen Diskussion fehle ihm allerdings ein elementarer Zwischenschritt. "Wo sind die Kosten und wie entwickeln sie sich eigentlich aufgrund der schon getroffenen politischen Entscheidungen?"

Man müsse jetzt ehrlich zu sich sein: "Alles, was wir jetzt im regulatorischen Umfeld tun können, wird nicht genug Power haben, um den schon eingeloggten Auftrieb der Energiepreise runterzukriegen." Man können diesen maximal noch dämpfen, so der Energiemanager. Wenn man sich mehr Zeit nehmen würde, könne man wahrscheinlich mehr erreichen.

Es dürfe sich nicht in kleinteiligen Diskussionen verloren werden. Als Beispiel führt er die Diskussion um die Senkung der Erlösobergrenzen um einen Prozentpunk an. "Das ist für die Haushalte nicht spürbar, aber es kann sein, dass wir damit die Energiewende abwürgen oder zum Stottern bringen. Und das ist es nicht wert." Ähnlich sei es bei der Fremdkapitalverzinsung.

Ausblick auf den weiteren Prozess

Zum Abschluss des Podiums stellte Maxelon klar: "Ich hoffe, die guten Argumente aus der Branche werden gehört." Die Ausführungen des Präsidenten der Bundesnetzagentur hätte man wahrgenommen, doch wie gehe es jetzt weiter?

Haller schloss mit einem Vorausblick: "Alle Argumente liegen auf dem Tief, jetzt gehen wir die Auswertung." Man wolle im energiepolitischen Zieldreieck bleiben und keine zusätzliche Bürokratie ausrollen. Außerdem solle die Erlösobergrenze so angepasst werden, dass es für die Kunden nicht teurer werde.

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