Nest-Prozess: Bundesnetzagentur geht ein Stück weit auf Netzbetreiber zu

Von Lucas Maier

Im Streit um die zukünftige Netzregulierung ist Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller auf die Netzbetreiber einen Schritt zugegangen. Wenige Stunden vor einer Sondersitzung des Beirats der Bundesnetzagentur am Mittwoch (die Ergebnisse waren bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt) kündigte der Behördenchef im Interview mit dem "Handelsblatt" höhere Renditen für die Netzbetreiber an. Man habe "ein hohes Interesse an einem attraktiven Investitionsumfeld für die Betreiber von Strom- und Gasnetzen", wurde er zitiert. "Dazu gehört eine angemessene Eigenkapitalverzinsung".

Ein Anstieg soll demnach nicht allein um eine Reaktion auf die Entwicklung des Zinsniveaus, sondern auch durch eine methodische Anpassung erreicht werden. Konkrete Zahlen nannte der Chef der Regulierungsbehörde nicht. Aber er sei sich sicher, dass die Renditen steigen würden. Müller geht damit auf eine oft geäußerte Branchenkritik ein. Die Kapitalverzinsung sei im europäischen Vergleich "schon heute grenzwertig niedrig", sagte etwa Jörg Reiche, Chef der EnBW-Tochter Netze BW, im ZfK-Interview.

Wirtschaftsminiserin teilt Kritik aus der Branche 

Bereits in der vergangenen Woche hatte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) Druck gemacht: "Schaut man sich an, wo die Eigenkapitalzinsen im europäischen oder auch internationalen Vergleich sind, so hinkt Deutschland hinterher", sagte sie bei einem parlamentarischen Abend des Energiekonzerns RWE. "Zusammen mit der Bundesnetzagentur müssen wir ein Modell finden, was Investitionen in Netze für Betreiber wirtschaftlich interessant und erfüllbar macht."

Auch Kerstin Andreae, Chefin des Energieverbands BDEW, forderte "die Sicherstellung der internationalen Vergleichbarkeit für die Verzinsung des Eigenkapitals." Maßnahmen hierfür sollten laut Andreae von der Netzagentur zusammen mit der Branche entwickelt werden.

"Die Energiewende braucht eine moderne Netzinfrastruktur, die weit mehr leisten muss als bisher: mehr Netz, mehr Anschlüsse, mehr Digitalisierung, mehr Flexibilität, mehr Geschwindigkeit und Sicherheit." Das sei nicht zu schaffen, wenn den Betreibern weniger Geld zur Verfügung stehen würde. "Die vorgesehenen Maßnahmen der Bundesnetzagentur führen in die entgegengesetzte Richtung: Sie schmälern die Erlöse und nehmen den Unternehmen die notwendige Investitionskraft", pflichtete Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), bei.

Fremdkapitalzinsen als Kritikpunkt 

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Umstellung bei der Ermittlung des Fremdkapitalzinses. Die Fremdkapitalzinsen für die Jahre 2029 bis 2033 sollen sich demnach am Durchschnitt der letzten sieben Jahre orientieren. Dabei beinhaltet der Durchschnitt auch die Nullzinsjahre. "Das wird zu einer massiven strukturellen Unterdeckung beim Fremdkapital führen und entspricht einer etwa 2 Milliarden Euro großen Erlösminderung", kritisiert der VKU.

Auf der "Handelsblatt"-Gastagung sagte Müller beschwichtigend: "Das ist sozusagen ein möglicher Weg." Die Bundesnetzagentur habe dies lediglich als Vorschlag mit in die Konsultation genommen. "Fünf Jahre, zehn Jahre: Es gab die verschiedensten Vorschläge aus der Branche, aus der Wissenschaft und aus den Ländern", sagte er. Man werde alles in Ruhe auswerten. Dass die Festlegung am Ende von dem Vorschlag, der im Juni gemacht wurde, abweiche, sei klar.

Verbände fordern Nachbesserung bei Opex

Ein weiteres Streitthema ist der sogenannte Betriebskosten-Aufschlag, auch Opex-Aufschlag oder Opex-Faktor genannt. Dieser soll gewährleisten, dass steigende Betriebskosten im Netzbetrieb, etwa in der IT oder beim Personal, auch im Laufe einer Regulierungsperiode berücksichtigt werden.

Der Opex-Aufschlag soll übergangsweise in der nächsten Regulierungsperiode gelten, allerdings nur für Stromverteilnetzbetreiber im Regelverfahren. Gasnetzbetreiber und kleine Stromnetzbetreiber im vereinfachten Verfahren sollen nicht in den Genuss des Instruments kommen.

Die Netzbetreiber wollen das ändern. "Eine faire Abbildung der Betriebskosten durch einen dauerhaft wirksamen Opex-Faktor für alle Netzbetreiber" fordert der BDEW. Vom VKU heißt es: "Der Opex-Aufschlag muss flächendeckend und transparent anwendbar sein, auch für Netzbetreiber im vereinfachten Verfahren. Die geplante methodische Umstellung führt zu pauschalem Kostendruck statt echter Effizienzsteigerung. Die Richtwerte müssen auch erreichbar sein."

Müller zeigte sich auf der Gastagung irritiert von den Bedenken aus der Branche. "Unsere Kalkulationen sind sehr klar", wiederholte er. Unter dem Strich würde man bei einem Plus von 1,4 Prozent allein durch den Nest-Prozess in der Erlösobergrenze landen. Demgegenüber befürchten die Verbände BDEW und VKU eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Netzbetreiber durch die vorliegenden Vorschläge der Behörde.

Berechnung der Verbände 

Im Vorfeld der Sonderbeiratssitzung der Bundesnetzagentur berechneten sie die Erlöseinbußen neu. Im Bereich Stromnetze gehen diese demnach um 3,5 Milliarden Euro zurück. Bei den Gasnetzen sind es 1,5 Milliarden Euro weniger.

Insgesamt ergibt sich ein Erlösrückgang von rund fünf Milliarden Euro. Diese Rechnung beinhaltet den von der Bundesnetzagentur berechneten Opex-Aufschlag für die Stromwerteilnetzbetreiber im regulären Verfahren in Höhe von 2,4 Prozent der Erlösobergrenze, wie die Verbände mitteilen.

Für den VKU ist deshalb klar: "Der vorgeschlagene Regulierungsrahmen ist nicht geeignet, um die Energiewende zu unterstützen. Er verzögert den Ausbau der Netze, erschwert Investitionen und gefährdet die Versorgungssicherheit."

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