Neue Wege bei der Finanzierung: Drei Praxisbeispiele aus der Branche
Von Hans-Peter Hoeren
Kapital für die Transformation – dieses Thema treibt aktuell die ganze Branche um. Ein breites Spektrum an Finanzierungsansätzen ist gefragt und auch der Mut, neue Wege zu gehen. Beim VKU-Stadtwerkekongress in Mainz stellten drei kommunale Versorger in kompakter Form einen aktuellen Finanzierungsansatz vor.
Das Stadtwerk Tauberfranken aus Bad Mergentheim hat erstmals Kundinnen und Kunden über eine Bürgerbeteiligung nicht an einem einzelnen Projekt oder einer Erneuerbarentochter, sondern direkt am Gesamtunternehmen beteiligt. Dabei setzt man auf Genussscheine, dieses Finanzierungsinstrument stärkt direkt das Eigenkapital.
Der Investitionsbedarf des Stadtwerks wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der Energiewende verdoppeln. Hätte man die geplanten Investitionen allein für den Erneuerbarenausbau rein über klassische Finanzierungen realisiert, wäre die Eigenkapitalquote auf 20 Prozent gesunken, erklärte Geschäftsführer Paul Gehrig.
Tauberfranken: Bürger beteiligen sich direkt am Stadtwerk
Durch die noch laufende Emission von Genussrechten an Bürgerinnen und Bürger wird sich nun die gerade für weitere Bankenfinanzierung zentrale Eigenkapitalquote auf 38 Prozent erhöhen. "Wir haben bereits Genussrechte in einem Gesamtvolumen von 7,5 Millionen Euro ausgegeben, wir werden die Emission in den nächsten zwei Wochen schließen“, so Gehrig.
Insgesamt acht Millionen Euro werden so direkt in das Eigenkapital fließen. Die Laufzeit beträgt fünf Jahre. Stromkunden des Stadtwerks erhalten einen Zins von 3,75 Prozent, alle anderen Interessenten erhalten 3,25 Prozent. "68 Prozent der Zeichner sind Stromkunden von uns", sagte Gehrig, Über 95 Prozent der Interessenten stammen aus dem Netz- respektive Vertriebsgebiet. Vor rund einem Jahr hat das Stadtwerk begonnen die Emission über Kampagnen zu bewerben.
Bürgerbeteiligung stärkt das Image in der Region
"Das Angebot hat unser Image in der Region wahnsinnig gestärkt. Es hat sich wirklich gelohnt, das Thema Bürgerbeteiligung einmal anders zu spielen", resümierte der Geschäftsführer des Stadtwerks. Die acht Millionen Euro werden unter anderem in einen Windpark, Freiflächen PV und den Ausbau der Wärmeversorgung investiert.
Konstanz beteiligt Investoren an Finanzierung der Wärmenetze
Auf externe Investoren und Projektfinanzierung setzen die Stadtwerke Konstanz bei der Finanzierung der Wärmewende. Rund 550 Millionen Euro beträgt dort der Investitionsbedarf. Herzstück der Wärmewende in der Stadt am Bodensee ist der Bau von sechs Wärmenetzen. Für den ersten Wärmeverbund wurde mit der Iquony ein erster Kooperationspartner gefunden. Zuvor wurde mit einer selbst entwickelten Bewertungsmatrix ein Markterkundungsverfahren durchgeführt und der Markt nach möglichen Partnern sondiert.
Ganz wichtige Kriterien in der Matrix seien die Eigenkapitalrendite und die Beteiligungsstruktur gewesen, erklärte Norbert Reuter, Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz. Die Finanzierung des ersten Wärmeverbunds basiert zum einen auf Fördermitteln aus der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, der Rest erfolgt je hälftig über Mittel der Stadtwerke Konstanz und der Iquony.
Rheinenergie setzt auf Netzwerk an Finanzierungspartnern
Bis 2035 will die Rheinenergie in Köln klimaneutral werden. Eine der größten Säulen der Wärmewende ist der Bau einer großen Flusswasserpumpe am Erzeugungsstandort Niehl. Rund 280 Millionen Euro werden in dieses Vorhaben, dass laut Finanzvorständin Birgit Lichtenstein "zu den größten Einzelprojekten" des Unternehmens zählt, investiert.
Neben einem überzeugenden und nachhaltigen Geschäftsmodell und einem bereits gut entwickelten Erzeugungsstandort nennt Lichtenstein vor allem folgende Erfolgsfaktoren für die erfolgreiche Fremdfinanzierung:
- Netzwerk an unterschiedlichen Finanzierungspartnern: "Es reicht nicht, sich allein auf die Hausbanken zu verlassen, einige kommen mittlerweile an Grenzen“, so Lichtenstein. Wichtig sei vielmehr eine breitere Aufstellung an Partnern und auch mit Blick auf die Finanzierungsansätze.
- Vertieftes Know-how über Förderprogramme: Hier benötige man fachkundige Mitarbeitende mit entsprechendem Fachwissen. Ein wichtiges Kriterium für eine erfolgreiche Bankenansprache sei beispielsweise der so genannte Kältemittelschwellenwert gewesen. Hier dürfe im Rahmen einer nachhaltigen Finanzierung etwa das relative Treibhausgaspotenzial nicht überschritten werden.
Darüber hinaus seien eine gute Bonität, eine solide Kapitalstruktur und dauerhaft stabile Cash-Flows zentral. Oftmals werden bei der Vergabe von Kreditlinien oder Rahmenkrediten sogenannte Covenants vereinbart, bei deren Nichterfüllung höhere Risikoprämien anfallen können. Hier gelte es, immer schon mitzudenken, ob noch weitere Finanzierungen in nächster Zeit anstehen und wie diese sich auf die Covenants auswirken, erklärte Lichtenstein.
Eine Bildergalerie zum Stadtwerkekongress in Mainz finden Sie hier.
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