Thelen: "Der Markt für Windkraft in Bayern kommt langsam in Gang"
Die Stadtwerke München haben ihr großes Ziel erreicht und können ab diesem Jahr den Strombedarf der gesamten Stadt mit Ökostrom aus eigenen Anlagen abdecken. Auch finanziell profitiert man davon immens. Ein Großteil der regenerativen Energie wird in großen Offshore-Windparks erzeugt, in der Region um München und in Bayern waren die Ausbaupotenziale in den letzten Jahren gering.
Die Stadtwerke München haben deshalb ihr "sehr leistungsfähiges Projektentwicklungsteam in Bayern" vor einiger Zeit aufgelöst. Mit dem Wegfall der strengen Mindestabstandsregelung von Windkraftanlagen zu Wohnsiedlungen tun sich jetzt neue Perspektiven auf und der Kommunalversorger startet noch einmal neu durch, berichtet Karin Thelen, die Geschäftsführerin Regionale Energiewende.
Warum der Ausbau der Wärmenetze und der Geothermie sie aktuell aber noch mehr fordert und dass auch in diesem Bereich die Akzeptanz in der Bevölkerung kein Selbstläufer ist, verdeutlicht sie im Gespräch mit der ZfK.
Frau Thelen, die Stadtwerke München werden im Laufe dieses Jahres ganz München zu 100 Prozent mit Strom aus eigenen Erneuerbaren-Anlagen versorgen können. Das Gros der Erzeugung findet im Ausland statt. Wird das auch künftig so bleiben?
Beim Ausbau setzen wir ja vor allem auf Onshore-Wind. Die Rahmenbedingungen für eigene Windparks in Bayern waren aber bis vor Kurzem sehr herausfordernd. Das hat sich zum Glück geändert. Wir sehen deshalb künftig deutlich mehr regionale Ausbaupotenziale für eigene Windparks.
Mit Blick auf unser Erneuerbaren-Portfolio verfolgen wir künftig vor allem zwei Strategien. Zum einen setzen wir auf das Repowering, das wir über unsere eigene Gesellschaft Hanse Windkraft schon seit Jahren betreiben.
Durch den Wegfall der 10-H-Regelung, die in Bayern den Mindestabstand von Windkraftanlagen zu Wohnsiedlungen regelte, sind wir seit zwei Jahren wieder sehr aktiv bei der Entwicklung regionaler Onshore-Windparks. Seitdem wurden einige Windgebiete in Bayern ausgewiesen, auch hier kommt der Markt jetzt langsam in Gang. Wir haben viele Projekte in der Pipeline, die wir aktuell prüfen.
"Mit der Einführung der 10-H-Regelung kam das regionale Windgeschäft komplett zum Erliegen, wir mussten das Projektentwicklungsteam auflösen. Jetzt starten wir noch einmal neu."
Welche Projekte werden denn in nächster Zeit umgesetzt?
Konkret setzen wir derzeit ein drittes Windrad in Rammertshofen in der Nähe von München um. Im Landkreis Eichstätt bauen wir einen Windpark mit sechs Anlagen gemeinsam mit den Bayerischen Staatsforsten. Wir hatten vor einigen Jahren schon ein sehr leistungsfähiges Projektentwicklungsteam in Bayern, das viele Projekte entwickelt hat.
Mit der Einführung der 10-H-Regelung kam das regionale Windgeschäft komplett zum Erliegen und wir mussten das Team auflösen. Jetzt starten wir noch einmal neu.
"Regionale Energiewende heißt für mein Ressort, wir sprechen allein von Bayern."
Wie viele Projekte haben Sie denn in der Pipeline und beschränkt sich das allein auf Bayern?
Regionale Energiewende heißt für mein Ressort nicht Hessen oder Baden-Württemberg, wir sprechen allein von Bayern. Das sind zehn bis 15 Projekte, die aber sicher nicht alle realisiert werden können. In Summe umfasst diese Pipeline zwischen 150 und 200 Megawatt.
Wir merken, dass die Akzeptanz für die Windkraft vor Ort immer noch kein einfaches Thema ist. Da braucht es bereits in der Projektanbahnung viel Kommunikation und Überzeugungsarbeit mit den jeweiligen Städten und Kommunen, um alle relevanten Stakeholder rechtzeitig einzubinden und gut zu informieren.
Ihr Geschäftsführungsressort umfasst die regionale Energiewende. Dazu gehören auch der PV-Ausbau und die Wärmewende, beispielsweise die Geothermie. Welches Thema fordert Sie denn zeitmäßig aktuell am meisten?
Definitiv der Ausbau der Wärmenetze und der Geothermie. Hierbei geht es um die mittelfristige Transformation unserer gesamten Wärmeerzeugung. Den größeren Hebel beim Erneuerbaren-Strom-Ausbau in der Region hatten wir bisher vor allem bei der Photovoltaik.
Im vergangenen Jahr haben wir erneut die Ausbauziele für PV-Anlagen in der Stadt München übertroffen – und das bereits zum zweiten Mal. Mittlerweile sind wir nach den Bürgerinnen und Bürgern als Gesamtheit der zweitgrößte Betreiber von PV-Dachanlagen der Stadt München.
"Die Stadt München strebt an, bis in die 2030er Jahre die Zielmarke von 100 Megawatt pro Jahr bei PV-Dachanlagen zu erreichen."
Der Münchner Stadtrat hat 2023 einen Masterplan für den PV-Ausbau auf den Dächern in der Stadt beschlossen. Deren Anteil soll jedes Jahr um 40 Prozent steigen. Wie anspruchsvoll ist das?
Wir haben im vergangenen Jahr 162 eigene PV-Anlagen in München in Betrieb genommen. Dieses Ergebnis noch einmal zu übertreffen, ist natürlich ein ambitioniertes Ziel. Dabei stehen wir vor Herausforderungen, wie größeren Verschattungsbereichen oder Brandschutzvorschriften.
Dennoch sind wir weiterhin auf einem guten Weg. Die Stadt München strebt an, bis in die 2030er Jahre die Zielmarke von 100 MW pro Jahr zu erreichen. Das ist schon eine beeindruckende Hausnummer.
Wie gut kommen Sie denn aktuell überhaupt an weitere Dachflächen für den Ausbau?
Definitiv müssen wir viel Überzeugungs- und Vertriebsarbeit leisten. Wir freuen uns jedoch, dass wir mit einer großen städtischen Wohnungsgesellschaft, die sich auch sehr ambitionierte Ziele gesetzt hat, eine Partnerschaft zum Solarausbau geschlossen haben. Das hilft natürlich.
Parallel dazu arbeiten wir daran, weitere Partnerschaften mit der Wohnungswirtschaft und Großunternehmen aufzubauen. Das Thema Solarenergie und Energielösungen hinter dem Kundenzähler entwickelt sich stetig weiter. Daraus ergeben sich für uns als Unternehmen interessante neue Geschäftsfelder.
Welche Rollen spielen in Ihrer Strategie PV-Freiflächenparks?
Der Masterplan "Solares München" umfasst auch Freiflächenparks. Wir haben jetzt die ersten größeren Solarparks gebaut. Bis Ende des Jahres wird ein weiterer großer Solarpark mit einer Leistung von 37 Megawatt im Landkreis München fertig und wir haben noch weitere Projekte in der Umsetzung.
"Für uns als großes Unternehmen ist es besonders wichtig, den Gemeinden und Kommunen auf Augenhöhe zu begegnen."
Es fällt auf, dass die Kooperationen der SWM mit umliegenden Gemeinden und Städten im Großraum München zugenommen haben. Wie dick sind die Bretter, die Sie da bohren müssen und auf wie viel "Kirchturmdenken" stoßen Sie hier noch?
Uns hilft natürlich, dass wir beim Erneuerbaren-Ausbau eine hohe Kompetenz haben und man uns hier Vieles zutraut. Für uns als großes Unternehmen ist besonders wichtig, den Gemeinden und Kommunen auf Augenhöhe zu begegnen. Häufig bestehen zu Beginn Bedenken, nicht ausreichend wahrgenommen zu werden.
Vertrauen und Beziehungspflege spielen hier eine zentrale Rolle, um eine gute Partnerschaft zu etablieren. Das Thema Energie- und Wärmewende steht inzwischen bei allen Kommunen und Gemeinden auf der Agenda. Wir müssen als größte Stadt die Wärmeplanung bis 2026 abschließen, die kleineren Gemeinden erst 2028.
Das ist jetzt ein guter Moment, um uns ins Gespräch zu bringen. Deshalb suchen wir verstärkt den Dialog mit den Kommunen. Es geht dabei unter anderem auch um Flächen für die Energiewende in der Region, den Bau von gemeinsamen Anlagen oder ein Wärmeangebot für die jeweilige Kommune. Das gelingt aber nur partnerschaftlich und auf Augenhöhe.
Sie haben das Thema Wärmewende ein paar Mal angesprochen. Wie kommt man voran hier in München bei dem Thema?
Wir haben schon ein großes Fernwärmenetz in München mit einer Länge von 1000 Kilometern. Unser Transformationsplan sieht den Zubau von weiteren 600 Kilometern vor. Dafür haben wir eine gute und fundierte Wärmeplanung erstellt, die genau zeigt, wo die größten Potenziale für die Fernwärme oder für die Nahwärme liegen.
Gleichzeitig haben wir auch die Gebiete ermittelt, wo Wärmepumpen die optimale Lösung sind. Parallel dazu ist die Dekarbonisierung unserer Wärmeerzeugung ein zentrales Ziel. Dabei setzen wir vor allem auf Tiefengeothermie.
"Unser Ziel ist es, den Geothermieausbau zu beschleunigen, indem wir die Anlagen parallel bauen und stärker standardisierte Prozesse einführen."
Wie weit sind Sie konkret mit dem Geothermieausbau in München?
Wir bauen gerade die siebte Anlage am Michaelibad. Es werden aber noch mal weitere acht bis zehn Anlagen benötigt. Erst dann ist die Wärmeversorgung so transformiert, dass verschiedenen Netzabschnitte dekarbonisiert werden können.
Anders als bei einem einzigen zusammenhängenden Netz, in das zentral eingespeist wird, besteht unsere Fernwärmeversorgung aus verschiedenen Netzabschnitten. Jeder dieser Abschnitte benötigt eigene Erzeugungsanlagen. Das macht die Planung und den Ausbau komplexer, weil an verschiedenen Stellen der Stadt oder im Umland Anlagen benötigt werden, um die Netze zu bedienen.
Unser Ziel ist es, den Ausbau zu beschleunigen, indem wir Geothermie-Anlagen parallel bauen und stärker standardisierte Prozesse und Komponenten einführen. Dieser Ansatz ist neu für uns, bietet jedoch großes Potenzial, um effizienter zu arbeiten und die Energiewende voranzutreiben.
Wie herausfordernd ist es vor Ort bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern Akzeptanz für diese Geothermieanlagen sicherzustellen?
Die Akzeptanz für Geothermie ist in München auf jeden Fall deutlich größer als in Orten, die bisher keine Erfahrung mit dieser Technologie gemacht haben. Wir haben unsere erste Anlage ja schon im Jahr 2004 in der Messestadt gebaut. Das zeigt, dass Geothermie in München eine lange Tradition hat. Hier ist allgemein bekannt, dass diese Technologie zuverlässig funktioniert.
Dennoch stellt jede technische Anlage – sei es eine Erzeugungsanlage, eine Feuerwache oder eine andere Einrichtung – eine Einschränkung des jeweiligen Quartiers dar. Wir haben gemerkt, dass dadurch Verunsicherung aufkommen kann.
Um solchen Situationen zu begegnen, ist es entscheidend, schnell ansprechbar zu sein, auf die Sorgen einzugehen und die Bürgerinnen und Bürger aktiv mitzunehmen. Transparenz und Kommunikation sind hier die Schlüssel, um Vertrauen zu schaffen und die Akzeptanz weiter zu stärken.
Die Fragen stellte Hans-Peter Hoeren



