"Wir wollen universeller Messstellenbetreiber für die Wohnungswirtschaft werden"
Techem übernimmt den wettbewerblichen Messstellenbetreiber Inexogy mit mehr als 100.000 Zählpunkten. Damit will das Unternehmen seine Stärke im Submetering mit Smart-Metering-Know-how verbinden und zum universellen Messstellenbetreiber werden. Gero Lücking, Leading Expert for Electricity Solutions bei Techem erklärt, welche Chancen sich daraus für sein Unternehmen, aber auch Stadtwerke und grundzuständige Messstellenbetreiber ergeben.
Herr Lücking, Sie haben den wettbewerblichen Messstellenbetreiber Inexogy übernommen. Was bedeutet das für Stadtwerke? Wollen Sie künftig nicht mehr mit den grundzuständigen Messstellenbetreibern zusammenarbeiten?
Das wollen wir weiterhin und das bieten wir auch ausdrücklich an. Wir sind wettbewerblicher Messstellenbetreiber, insofern greifen wir natürlich an, aber selbstverständlich bieten wir unser Know-how, unsere Dienstleistung und unseren Service auch für grundzuständige Messstellenbetreiber an.
Viele Stadtwerke übernehmen als grundzuständiger Messstellenbetreiber den Messstellenbetrieb im eigenen Netzgebiet selbst, suchen aber Partner für Kunden, die Zählpunkte außerhalb ihres Netzgebietes haben. Genau hier kommen wir ins Spiel. Außerdem könnten wir den grundzuständigen Messstellenbetrieb im Auftrag übernehmen. Laut Monitoring der Bundesnetzagentur haben mehr als 260 grundzuständige Messstellenbetreiber bis heute noch kein einziges intelligentes Messsystem installiert. Angesichts der gesetzlichen Fristen ist die Zusammenarbeitr mit uns eine Option, die wir aktiv anbieten. Inexogy betreibt derzeit schon über 100.000 Messstellen und gehört damit zu den größten wettbewerblichen Messstellenbetreibern in Deutschland.
Wie ist Ihre Lösung für die grundzuständigen Messstellenbetreiber ausgestaltet? Handelt es sich dabei um eine White-Label-Plattform?
Ja. Unsere Systeme können als White-Label-Lösung genutzt werden. Nach außen tritt das Stadtwerk auf, für den Kunden bleibt alles in einer Hand. Wir übernehmen aber Installation, Betrieb und technischen Service. So bleibt die Kundenbeziehung beim Stadtwerk, während wir als Dienstleister die Umsetzung im Hintergrund leisten.
Techem selbst wurde erst im Sommer von Partners Group und weiteren Investoren übernommen. Hat diese Transaktion Einfluss auf die Beteiligung an Inexogy?
Nein, das sind zwei getrennte Vorgänge. Der Gesellschafterwechsel betrifft die Eigentümerstruktur von Techem an sich. Unser operatives Geschäft läuft unabhängig davon wie gewohnt weiter. Die Beteiligung an Inexogy haben wir umgesetzt, weil der Markt für intelligente Messsysteme derzeit deutlich an Fahrt aufnimmt. Techem bringt Kapitalstärke und Zugang zur Wohnungswirtschaft, Inexogy bringt Know-how, Manpower und langjährige Erfahrung im Messstellkenbetrieb mit. Gemeinsam können wir diese Märkte jetzt deutlich schneller entwickeln.
Submetering-Daten werden meist über LoRaWAN übertragen. Wird das künftig über das Smart-Meter-Gateway geschehen oder bleiben es zwei getrennte Welten?
Die gesetzliche Anforderung sieht die Anbindbarkeit der Submetering-Infrastruktur an das Smart-Meter-Gateway vor. Dieser Verpflichtung kommen wir nach.
Wie finanzieren Sie die Übernahme und den Ausbau intelligenter Messsysteme? Eigenkapital oder über einen Meter-Asset-Provider?
Zurzeit finanzieren wir vollständig über Eigenkapital. Wir planen Investitionen im dreistelligen Millionenbereich, um weiter zu wachsen. Weitere Modelle – etwa über externe Finanzierer – prüfen wir, wenn es sinnvoll ist.
Sie haben zudem eine digitale Plattform entwickelt. Was verbirgt sich dahinter?
Mit unserer "One Digital Platform" schaffen wir eine zentrale Grundlage, um Dienstleistungen miteinander zu verknüpfen und weiterzuentwickeln. So verbindet unsere "One Digital Platform" zum Beispiel Daten aus dem Submetering mit denen des Smart Meterings. Wenn wir in einem Mehrfamilienhaus beispielsweise bereits als Submetering-Dienstleister tätig sind, kennen wir die Mieterinnen und Mieter sowie die Nutzeinheiten. Diese Stammdaten einer Liegenschaft können wir mit den Stromzählern der Mietenden zusammenführen, etwa bei Mieterstromprojekten. So kann die Abrechnung von Heiz- und Nebenkosten mit Solarstromabrechnungen ergänzt werden. So schaffen wir über unsere Plattform integrierte Lösungen, die auch neue Geschäftsmodelle wie die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung oder den Betrieb einer eV-Charging-Ladeinfrastruktur unterstützen.
Sie haben Mieterstrom erwähnt. Welche Bedeutung hat dieses Geschäftsmodell für Techem und Inexogy?
Mieterstrom ist ein zentrales Anwendungsfeld. Inexogy betreibt heute schon mehr als 1000 Mieterstromprojekte. Unsere digitale Plattform führt also Informationen aus Submetering und Smart Metering zusammen. Der Betrieb der digitalen Messinfrastruktur im Sub- und im Smart Metering, Abrechnung und Energiedatenmanagement erfolgt damit aus einer Hand. Wir leisten so einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Elektrifizierung und damit zur Dekarbonisierung im Gebäudebestand. So entstehen integrierte Lösungen, die für Gebäudeeigentümer, die Immobilienwirtschaft und Stadtwerke gleichermaßen interessant sind.
Neu hinzu kommt außerdem der § 14a EnWG, der zum Steuern steuerbarer Verbrauchseinrichtungen verpflichtet. Welche Rolle übernimmt Techem dabei?
Das Steuerungssignal kommt vom Verteilnetzbetreiber. Damit es Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur oder Batteriespeichern auch erreicht, muss ein intelligentes Messsystem inklusive Steuerbox installiert sein. Genau diese "Durchleitung" des Steuerungssignals an die in den Gebäuden installierten Assets ist Aufgabe des wettbewerblichen Messstellenbetreibers. Inexogy verfügt hier bereits über weitgehende Erfahrung. Wir sehen die Steuerung nach § 14a EnWG als einen der zentralen Anwendungsfälle intelligenter Messsysteme und wollen sie konsequent mit unseren Kunden umsetzen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zur Flexibilisierung des Gesamtsystems und damit zum Gelingen der Energiewende.
Wo sehen Sie Techem und Inexogy in fünf Jahren?
Unser Ziel ist es, in fünf Jahren rund 1 bis 1,5 Millionen intelligente Messsysteme zu betreiben. Wir wollen bereits im nächsten Jahr weitere rund 100.000 Messstellen ausrollen und werden dazu weiter Personal einstellen – allein in diesem Jahr mehr als 50 Monteure. Mit Mieterstrom, der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung und der Steuerung nach Paragraf 14a Energiewirtschaftsgesetz bauen wir unsere führende Rolle aus. Wir wollen uns als der universelle, spartenübergreifende Messstellenbetreiber für die Wohnungswirtschaft und die Immobilienwirtschaft, zum Beispiel in Gewerbeimmobilien, Industriegebäuden oder auch im Retailsegment, etablieren und unseren Kunden die Daten aller Commodities digital aus einer Hand bieten.
Das Interview führte Stephanie Gust


