Studie aus Krefeld: Digitalisierung kann Kosten für Netzausbau senken

Keine Frage – die Energiewende erfordert Investitionen und wird teuer. Wie teuer? Dazu gibt es keine verlässlichen Angaben. Unterschiedliche Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Klar ist: Mehr Wärmepumpen, mehr Wallboxen, mehr erneuerbare Energien im Netz – all das kann das Stromnetz des örtlichen Netzbetreibers an seine Belastungsgrenze bringen und erfordert einen Aus- und Umbau des Netzes. Nicht selten gehen die Netzbetreiber von einer Verdoppelung der Netzkapazitäten aus, von hunderten Millionen Euro Investitionsbedarf und bedrohlichen Herausforderungen. Aus Krefeld kommt nun eine Studie, die geeignet scheint, Sorgen zu lindern.
 

Von links: Die beiden NGN-Geschäftsführer Christof Epe und Hans-Werner Leenen

Erstaunliche Ergebnisse

Die NGN Netzgesellschaft Niederrhein hat gemeinsam mit der Firma Omega-Lambda-Tec aus Garching bei München Berechnungen unternommen und ist zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Denn in den Hochlaufszenarien der gemeinsamen Studie liegt der Investitionsbedarf bis zu 90 Prozent unterhalb der zuvor angenommenen pauschalen konventionellen Berechnung, beispielhaft für das Stromnetz in Krefeld, wo die NGN der Netzbetreiber ist. Und das Beste daran: Der Ansatz, den NGN und Omega-Lambda-Tec für ihre Berechnungen gewählt haben, lässt sich auch für andere Netzgebiete anwenden und zeigt, wie wichtig und leistungsstark heutzutage Digitalisierung ist.

Wie kann das sein? Durch die Tatsache, dass die NGN ihr Stromverteilnetz bereits vor einigen Jahren digitalisiert hat und mittels der Software "GridCal" in Echtzeit darstellen kann, wie die realen Lastflüsse im Netz verlaufen, ist früh die Basis für weiterführende Untersuchungen gelegt worden. "Wir haben gewissermaßen unsere Augen im Niederspannungs-Netz. Das ermöglicht uns, viel tiefere und präzisere Analysen des künftigen Bedarfs durchführen zu können", erklärt NGN-Geschäftsführer Hans-Werner Leenen.

Schritt für Schritt zum digitalen Zwilling

Mithilfe der aktuellen Daten aus dem Netz, Bestandsdaten aus Photovolatik- und Windenergie-Einspeisungen, derzeitigen Zahlen an Elektrofahrzeugen, die geladen werden, Verbrauchsdaten der Kunden, Gebäudedaten und sozio-ökonomischen Daten wurde im ersten Schritt der Ist-Zustand der Netzauslastung dargestellt. Aus diesen Daten erstellte Omega-Lambda-Tec dann Globalszenarien für den zukünftigen Hochlauf von Photovoltaik, Wärmepumpen und E-Mobilität bis 2050 in Fünf-Jahresschritten. Das Ganze wurde dann regionalisiert, also auf das Netzgebiet der NGN heruntergebrochen. Und schließlich ist man noch tiefer ins Netz eingestiegen und hat die Auswirkungen zur KI-gestützten Zuweisung neuer Erzeuger und Lasten auf einzelne Hausanschlüsse lokalisiert. 

Im zweiten Schritt wurde ein digitaler Zwilling als Modell für den aktuellen Netzzustand erstellt. Ein solcher digitaler Zwilling ist eine virtuelle Abbildung der Wirklichkeit, die es ermöglicht, Echtzeitdaten zu verarbeiten und komplexe Simulationen durchzuführen. "Das hat uns in die Lage versetzt, verschiedene Szenarien zu simulieren, Daten in Echtzeit zu analysieren und Fehler zu erkennen, um dann fundiertere Entscheidungen treffen zu können, bevor Änderungen in der realen Welt, also im echten Stromnetz vorgenommen werden", sagt NGN-Geschäftsführer Christof Epe.

Spezifische Lastmodelle wurden anhand der Daten erstellt, sei es für E-Ladevorgänge, für den Strombedarf von Wärmepumpen oder für Photovoltaikanlagen unter Berücksichtigung verschiedener Wetterdaten. Schließlich erfolgten vielfältige Szenarien-Simulationen zur Berechnung für den künftigen Netzzustand. So konnten Lastflussberechnungen für alle erdenklichen Zukunftsszenarien bis ins Jahr 2050 erstellt werden. Unter anderem wurde auch ein sehr konservatives Szenario gewählt, bei dem man davon ausgeht, dass bis dahin überall Wärmepumpen im Einsatz sind, mit Ausnahme von ausgewiesenen Fernwärmegebieten. 

Leistungsabschnittsscharfe Maßnahmen

"Im Ergebnis können wir Dank des digitalen Zwillings und der Simulationen sehr präzise voraussagen, wo und wann unsere Leitungen und Transformatoren im Netz einen Handlungsbedarf zeigen", zeigt sich Christof Epe zufrieden. Sein Geschäftsführer-Kollege Hans-Werner Leenen ergänzt: "Wir können nun kontinuierlich unser virtuelles Netz mit der Realität abgleichen und quasi leitungsabschnittsscharf die notwendigen Maßnahmen ergreifen."

Lesen Sie weiter mit Ihrem ZfK-Abonnement

Erhalten Sie uneingeschränkten Zugang zu allen Inhalten der ZfK!

✓ Vollzugriff auf alle ZfK-Artikel und das digitale ePaper
✓ Exklusive Analysen, Hintergründe und Interviews aus der Branche
✓ Tägliche Branchen-Newsletter mit den wichtigsten Entwicklungen

Ihr Abonnement auswählen

Haben Sie Fehler entdeckt? Wollen Sie uns Ihre Meinung mitteilen? Dann kontaktieren Sie unsere Redaktion gerne unter redaktion@zfk.de.

Home
E-Paper