Streit um Zuständigkeit beim Smart-Meter-Rollout

Von Stephanie Gust

Konkret geht es um Punkt 5 im Zehn-Punkte-Plan des Bundeswirtschaftsministeriums. Darin heißt es: "Der Rollout von Smart Metern erfolgt ambitioniert, beschleunigt und mindestens kostenneutral für die Verbraucher (…). Die Verantwortung für den verpflichtenden Rollout liegt künftig bei den Verteilnetzbetreibern und damit im regulierten Anlagevermögen."

Bislang ist der grundzuständige Messstellenbetreiber dafür zuständig, flankiert vom Wettbewerb durch unabhängige Anbieter.

Ministerium prüft neue Ansätze

Auf Nachfrage der ZfK betont das Bundeswirtschaftsministerium (BMWE), die Digitalisierung der Energiewende sei "der entscheidende Enabler für eine effiziente Energiewende". Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) seien die Verteilnetzbetreiber bereits in eine stärkere Finanzierungsverantwortung genommen worden. "Der Rollout wurde dadurch angestoßen, muss aber noch weiter beschleunigt werden." Man prüfe deshalb Ansätze, "die durch ein stärkeres Eigeninteresse den Verteilnetzbetreiber zum Treiber einer zügigen und resilienten Digitalisierung der Energiewende machen".

Monitoring als Grundlage

Eine Begründung dazu liefert der Monitoring-Bericht von BET und EWI. Dort heißt es, Flexibilität und Digitalisierung seien systemische Hebel zur Effizienzsteigerung. Digitale Zwillinge und Smart-Meter-Gateways könnten helfen, Netze nicht mehr ausschließlich auf Spitzenlasten auszulegen, sondern Flexibilitäten gezielt einzubinden. Eine geeignete Abbildung in der Anreizregulierung könne sicherstellen, dass damit verbundene Kosten refinanzierbar sind.

Mit anderen Worten: Der Bericht kommt im Kern zu dem Schluss, dass die Netzbetreiber von Flexibilisierung profitieren – und damit ein Eigeninteresse haben sollten, den Smart-Meter-Rollout voranzutreiben.

Kritik aus der Branche

Stefan Baasner, Geschäftsführer von M2G-Consult, sieht darin jedoch eine gefährliche Schieflage. Er verweist zwar auf dieselben Passagen im Monitoring, sieht aber eine weitere Perspektive: "Die Digitalisierung der Netze kann derzeit eher Mehrkosten als Einsparungen verursachen – etwa durch IT-Integration, Störungsmanagement und Qualifizierung des Personals. Ein Zuständigkeitswechsel würde die laufenden Planungen der Messstellenbetreiber konterkarieren, diesen Effekt verstärken und den Rollout erneut verzögern. Zudem ginge damit eine Schwächung der neutralen Marktrolle des Messstellenbetreibers einher, die bislang allen Marktteilnehmern diskriminierungsfrei zur Verfügung steht."

Auch die wettbewerblichen Messstellenbetreiber sehen die Pläne kritisch. Wim Drozak, Geschäftsführer der Enpal-Tochter Metrify, erklärt: "Der Rollout muss konsequent beschleunigt werden. Wettbewerb kann dazu beitragen, Kosten zu senken und Tempo zu machen. Statt den Markt zu bremsen, sollten vielmehr Hürden für alle Beteiligten konsequent abgebaut werden – allen voran durch Bürokratieabbau. Auch eine Vereinfachung von Kooperationen zwischen grundzuständigen und wettbewerblichen Messstellenbetreibern würde helfen, die Quoten schneller zu erreichen."

Juristische Perspektive

Anders bewertet Jan-Hendrik vom Wege, Partner bei BBH, die Überlegungen: "Mit der Übertragung der Verantwortung für den Pflichtrollout auf den Verteilnetzbetreiber wird dem Ansatz der Systemdienlichkeit intelligenter Messsysteme maximal Rechnung getragen. Der Verteilnetzbetreiber kann stärker planerisch steuern, wo intelligente Messsysteme vorrangig installiert werden müssen. Die entstehenden Kosten würden über die Netzentgelte sozialisiert. Das könnte die Bremse lösen und den Rollout beschleunigen."

"Probleme liegen an anderer Stelle"

Frank Hirschi von der Horizonte Group weist dagegen auf grundsätzliche Ursachen hin: "Der Monitoring-Bericht setzt ein deutliches Signal: Die Politik ist unzufrieden mit dem bisherigen Tempo des Smart-Meter-Rollouts und sucht nach Wegen, die Umsetzung zu beschleunigen. Hintergrund ist, dass viele grundzuständige Messstellenbetreiber ihre Einbauziele bislang nicht erreicht haben. Das BMWE sieht die Ursache scheinbar in fehlenden oder falschen Anreizen und will durch eine Verlagerung der Verantwortung in das regulierte Anlagevermögen der Netzbetreiber gegensteuern."

Hirschi betont jedoch, dass die wesentlichen Hemmnisse an anderer Stelle liegen: "Die Probleme resultieren nicht aus mangelndem Willen, sondern aus der hohen Komplexität der Prozesse, IT-technischen Herausforderungen und Ressourcenengpässen. Hinzu kommen fortlaufende Gesetzesanpassungen und jährliche Formatänderungen in der Marktkommunikation, die immer wieder tiefgreifende Änderungen an IT-Systemen und Abrechnungslogiken erzwingen. Das verhindert eine Stabilisierung der Prozesse, blockiert Automatisierung und untergräbt Investitionssicherheit."

Nach Einschätzung der Horizonte Group geraten dadurch viele Marktakteure in eine Abwartehaltung – mit Folgen nicht nur für den Smart-Meter-Rollout, sondern auch für den anstehenden Steuerungsrollout. "Die entscheidende Frage lautet daher: braucht es nicht vielmehr eine Vereinfachung von Anforderungen, stabile Rahmenbedingungen, klare Standards und eine Reduzierung der Komplexität?"

Offene Grundsatzfrage

Das Monitoring selbst liefert also die Argumente, auf die sich das BMWE stützt: Effizienzgewinne durch Flexibilisierung, getragen vom Eigeninteresse der Netzbetreiber. In der Branche gehen die Meinungen jedoch auseinander, ob dieser Schritt wirklich zu mehr Tempo führt oder ob er die Rollenverteilung im Messwesen gefährlich verschiebt. An Geschwindigkeit muss der Rollout gewinnen – egal, bei wem die Verantwortung liegt.

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