Smarte Zähler als Beschleuniger: Initiative legt drittes Positionspapier vor
Von Stephanie Gust
Wenn alle Strom- und Gaszähler in Deutschland digital auslesbar wären, ließen sich Lieferantenwechsel, Abrechnungen und Prognosen in Echtzeit umsetzen. Für dieses Szenario setzt sich die Initiative Simplify Smart Metering ein. Mit einem dritten Positionspapier fordern die Autoren die Einführung einer smarten modernen Messeinrichtung (mME) als freiwillige Ergänzung zum bestehenden Smart-Meter-Rollout.
Die Idee ist nicht neu. Bereits Ende 2024 hatte die Initiative erste Papiere veröffentlicht und ihre Vorschläge auch dem Bundeswirtschaftsministerium übergeben. "Das Echo auf unsere smarte moderne Messeinrichtung hat uns überrascht", sagte Mitinitiator Marcel Linnemann damals gegenüber der ZfK. Seitdem wird der Ansatz intensiv in der Branche diskutiert – und stößt neben Zustimmung auch auf Skepsis. Kritiker warnen vor parallelen Infrastrukturen und möglichen Sicherheitslücken.
Bisheriger Weg und Resonanz
Die Initiative, getragen von Fachleuten aus der Energiewirtschaft, versteht ihren Vorschlag ausdrücklich nicht als Konkurrenz zum intelligenten Messsystem (iMS). Steuerungsaufgaben sollen weiterhin über das Smart-Meter-Gateway laufen. Die smarte moderne Messeinrichtung sei eine Ergänzung, die vor allem Ablese- und Abrechnungsprozesse digitalisieren soll, so die Autoren, zu denen neben Linnemann auch Andreas Fabri, Gerhard Radtke, Felix Zösch und Lukas Eberhard zählen.
Neuer Fokus des dritten Papiers
Während die beiden Positionspapiere stark auf dynamische Tarife abzielten, rücken die Autoren nun andere Anwendungsfelder in den Vordergrund. Die smarte moderne Messeinrichtung soll als Hebel dienen, zentrale Prozesse im Messwesen effizienter zu machen. Ein Beispiel ist der seit 2025 vorgeschriebene Lieferantenwechsel innerhalb von 24 Stunden. Ohne digitale Zählerstände müssen Versorger heute Techniker losschicken, Kunden zur Selbstablesung auffordern oder mit Schätzungen arbeiten. Das ist teuer, fehleranfällig und belastet die Marktprozesse. Eine smarte moderne Messeinrichtung würde den aktuellen Wert direkt liefern.
Auch für das ab 2026 kommende Energy Sharing nach § 42c EnWG-E sind viertelstündliche Messungen Pflicht. Nur so lassen sich Erzeugung und Verbrauch verursachungsgerecht zuordnen. Smarte Messtechnik könnte Verbraucher schneller in Energiegemeinschaften integrieren.
Gaszähler im Blick
Die Diskussion ist nicht auf den Stromzähler beschränkt. Auch im Gasbereich ist der 24h-Wechsel vorgesehen. Der regulatorische Rahmen erlaubt bislang nur die Anbindung über ein Smart-Meter-Gateway. Praktisch gelten jedoch die gleichen Herausforderungen wie im Stromsektor: Ohne digitale Fernauslesung sind effiziente Wechselprozesse kaum möglich, heißt es in dem Papier. Die Initiative fordert daher, auch Gaszähler mit smarter moderne Messeinrichtungen ausstatten zu können.
Praxisnutzen im Alltag
Viele bekannte Probleme könnten mit einer Fernauslesung gelöst werden:
- Umzüge: Saubere Abgrenzung zwischen Auszug und Einzug, weniger Reklamationen.
- Preisanpassungen: Exakte Stichtagswerte statt Schätzungen.
- Einspeiserablesung zum 31. Dezember: Vor allem bei kleinen PV-Anlagen bislang meist manuell.
- Jahresabrechnung: Weniger Rückfragen, stabilere Prozesse.
Zudem lassen sich Abschlagszahlungen realistischer gestalten. Haushalte mit neu installierten Wärmepumpen oder saisonalem Verbrauch zahlen nur, was sie tatsächlich verbrauchen. Nachforderungen am Jahresende würden seltener, Außenstände sinken. Auch monatliche Abrechnungen nach § 40b EnWG ließen sich damit ohne zusätzlichen Aufwand realisieren.
Nutzen für Netzbetreiber
Netzbetreiber sehen Vorteile in einer besseren Bilanzierung. Reale Verbrauchs- und Einspeisedaten erhöhen die Qualität der DBA-Zeitreihen, Prognosefehler sinken, Ausgleichsenergiekosten gehen zurück. Besonders relevant sind Kleinst-PV-Anlagen unter 7 kW. Sie fallen nicht unter die Pflicht zum intelligenten Messsystem, stellen aber einen großen Teil des Zubaus dar. Ihre Erzeugung fließt heute oft nur geschätzt in die Bilanzierung ein. Mit smarter Messtechnik könnten Netzbetreiber die Transparenz erhöhen und EEG-Auszahlungen exakter prognostizieren.
Direktvermarktung kleiner PV-Anlagen
Auch für die Direktvermarktung sieht die Initiative Chancen. Die heute notwendigen Messsystemkosten stehen bei kleinen Anlagen in keinem Verhältnis zur erzeugten Energiemenge. Das Ergebnis ist oft Nulleinspeisung. Eine smarte mME würde Kosten senken, Datenqualität verbessern und so die Vermarktung auch kleiner Anlagen wirtschaftlicher machen.
Weitere Anwendungsfelder
Die Autoren nennen zusätzliche Potenziale:
- Fehlererkennung: Defekte Zähler lassen sich durch Fernauslesung schneller identifizieren.
- Skaleneffekte: Stadtwerke können bestehende LPWAN-Netze nutzen, statt auf Mobilfunk angewiesen zu sein.
- Konzessionswechsel: Stichtagsgenaue Messwerte vereinfachen Übergaben erheblich.
Kontroverse um "Smart Meter Light"
Unterstützer sehen in den smarten modernen Messeinrichtungen die Chance, die Digitalisierung der Energiewende deutlich zu beschleunigen. Schließlich sind bereits Millionen moderne Messeinrichtungen in den Netzen verbaut – bislang aber ohne Fernauslesung. Zu den Unterstützern und Partnern der Initiative gehören Netzbetreiber und Energieversorger wie N-Ergie, Netze Duisburg, Enercity, BS Netz, Tibber, Octopus, die Stadtwerke aus Bayreuth, Haßfurt und Schweinfurt sowie unter anderem die Dienstleister Co.met, Meterpan, Physec, Digimondo, Zenner, Powerfox und GP Joule. Mit dem Bundesverband Neue Energiewirtschaft und dem Bundesverband Stecker Solar haben sich der Initiative auch zwei Verbände angeschlossen.
Während Befürworter von smarten modernen Messeinrichtungen pragmatische Lösungen anmahnen, sehen Kritiker die Gefahr einer Verwässerung von Standards und Sicherheit. Auch die Frage, wie sich zusätzliche Zählertypen mit geltendem Recht und den BSI-Vorgaben vereinbaren lassen, ist bislang offen. Gegner befürchten zudem, dass zusätzliche Zählertypen das Messwesen komplizierter statt einfacher machen könnten.


