Krefeld funkt: Wie die Stadtwerke LoRaWAN zum Erfolgsmodell machen
Von: Stephanie Gust
Begonnen hatte alles mit der unternehmensinternen "Innovations-Fabrik“, in der Mitarbeiter neue Konzepte bis zur Marktreife entwickeln konnten. Erste Tests mit Parkplatz- und Müllcontainersensoren zeigten schnell, LoRaWAN hält, was es verspricht: große Reichweiten, geringe Energiekosten und Unabhängigkeit vom Mobilfunk.
2023 wurde daher ein eigenes Team namens SWK Connect gegründet. Heute übernimmt die Einheit den kompletten Betrieb und entwickelt Anwendungen, die sowohl für die SWK als auch für die Stadt Krefeld und externe Kunden nutzbar sind. "Wir betreiben die Infrastruktur eigenständig – vom Datentransport bis zur IoT-Plattform“, sagt Julian Deymann, Teamleiter von SWK Connect.
Ankerprojekt Grundwasser
Zum Erfolg in Krefeld trug vor allem ein großer Anwendungsfall bei: die Grundwasserüberwachung. "LoRaWAN ist für uns kein Selbstzweck, sondern die Antwort auf konkrete Aufgaben“, betont Deymann.
Dabei betreiben die SWK rund 450 Messstellen. Früher mussten Mitarbeitende monatlich zu jedem Standort fahren – eine zeitaufwändige Routine mit begrenzter Datenqualität. "Wir hatten eine klassische Turnschuhaufgabe“, so Deymann.
Heute liefern alle Messstellen im Viertelstundentakt Werte. Für die SWK bedeutet das Arbeitserleichterung, für die Stadt eine neue Datenbasis in Zeiten zunehmender Klimaschwankungen.
Weitere Use Cases im Netz
Auf die Grundwasserüberwachung folgten schnell weitere Anwendungen. Ein zweiter großer Bereich war die Fernwärme. Rund 1000 Zähler sind inzwischen digitalisiert, sodass Verbrauchsdaten automatisiert erfasst und verarbeitet werden können. Auch Trinkwasserleitungen werden überwacht, etwa um Temperaturgrenzen einzuhalten.
Parallel baute die Stadt mehr als 60 Wetterstationen auf. Die Ergebnisse bestätigen den Hitzeeffekt in verdichteten Quartieren und fließen in die Stadtplanung ein – von Hitzeschutzmaßnahmen bis zu grüner Infrastruktur.
Auch die Abfallwirtschaft testete neue Ansätze. In einem Stadtteil wurden Container mit Füllstandsensoren ausgerüstet. Bürgerinnen und Bürger können über ein Dashboard sehen, ob die Tonnen an den Containerstandorten – etwa für Papier - voll oder leer ist.
Die Folge: weniger Vermüllung an den Standorten, eine bessere Auslastung der vorhandenen Behälter und weniger Leerfahrten. "Wir sparen Zeit, Kosten und CO₂, weil die Bürger die Intelligenz nutzen“, sagt Deymann.
Nutzwert steht im Fokus
Nicht alles funktioniert reibungslos. Bei der Parkraumerfassung verhinderten zum Beispiel Vandalismus, Winterdienst und hohe Stückkosten eine breite Umsetzung. Einzelne Standorte mit hohem Parkdruck werden aber weiter betrieben.
Die SWK gehen dabei nach klaren Regeln vor: Jeder Versuch wird als Pilot gekennzeichnet, Ergebnisse werden offen kommuniziert. Ein Pilot endet, wenn Aufwand und Kosten den Nutzen übersteigen oder die Technik zu anfällig ist.
Bleiben Bürgernutzen und Effizienzgewinne erkennbar, läuft das Projekt weiter. So hat sich die Füllstandsmessung bei Müllcontainern etabliert. Auch bei speziellen Parkflächen oder Ladeplätzen können Sensoren sinnvoll sein. Der Maßstab ist nicht das Experiment an sich, sondern die Frage, ob der Alltag damit besser funktioniert.
Bürgernähe und Kommunikation
Eine zentrale Frage ist auch, ob und wie die neue Technik bei den Menschen ankommt: "Wir fragten uns: Wie erreichen wir die Leute mit unseren Themen?“, sagt Deymann. Gerade jüngere Zielgruppen bekommen von Smart-City-Projekten oft nichts mit, wenn sie nur in klassischen Medien angekündigt werden.
Die Stadtwerke haben deshalb verschiedene Wege ausprobiert: Plakate an Containern mit QR-Codes, Werbung in Bussen und Bahnen, Info-Kampagnen in lokalen Blättern und Auftritte in den sozialen Medien.
Besonders beim Füllstandsdashboard für Abfallcontainer wurde so sichtbar, dass Bürgerinnen und Bürger den Service tatsächlich nutzen. Anrufe und Rückmeldungen bestätigten, dass Nachbarschaften die Daten teilen und ihre Wege nach den angezeigten Füllständen planen.
"Wir sind in der Daseinsvorsorge unterwegs – Energie, Wasser, Abfall. Für viele Menschen ist das selbstverständlich“, sagt Michael Paßon, Leiter der Konzernkommunikation. "Digitale Services gelten ebenfalls als selbstverständlich, sie müssen einfach da sein.“ Genau das erschwert die Ansprache. Viele Menschen merken erst, welchen Nutzen die Dienste bringen, wenn sie einmal ausfallen.
Positives Feedback gab es vor allem, wenn Transparenz geschaffen wurde: Bürger konnten live sehen, ob die Tonne am Containerstandort voll ist, oder Daten über Klimasensoren auf dem Dashboard abrufen. Mundpropaganda erwies sich dabei zuweilen wirksamer als jede Werbefläche.
Erfolgsfaktoren in Krefeld
Warum das Thema in Krefeld nicht im Pilotstadium stecken blieb, hat mehrere Gründe. Entscheidend war die Unterstützung des Managements. "Es ist vor allem der Entscheidung unseres Vorstandes zu verdanken, diesen Schritt konsequent zu gehen“, sagt Paßon. “Mittlerweile ist das Team SWK Connect fest im Geschäftskundenvertrieb eingebettet, technische Professionalität trifft betriebswirtschaftliche Expertise, jeden Tag.”
Ebenso wichtig war die eindeutige Rollenverteilung: Die SWK sind Betreiber der Infrastruktur, die Stadt entwickelt eigene Anwendungsfälle. Damit wurden teure Parallelstrukturen vermieden. Der dritte Faktor: engagierte Mitarbeitende, die Ideen bis in den Rollout begleiten. Ohne diesen Einsatz wären viele Projekte nie in die Praxis überführt worden.
Und schließlich der große Anker-Use-Case: die Grundwasserüberwachung. Sie löste das Henne-Ei-Problem und machte den Schritt vom Pilot in den Regelbetrieb möglich.
Wie es weiter geht
Die Stadtwerke Krefeld wollen ihr LoRaWAN-Netz weiter ausbauen und stärker mit Energiedaten verknüpfen. Ziel ist ein umfassendes Energiemonitoring, das Verbrauchsdaten mit IoT-Informationen kombiniert und Kunden beim Energiesparen unterstützt.
Industriebetriebe in Krefeld nutzen das Netz bereits für Zählerablesung, Leckage-Erkennung oder die Überwachung von Serverräumen. Ohne große Vermarktung nutzen schon jetzt mehrere Geschäftskunden das Angebot.
Auch andere Stadtwerke können profitieren. Die Plattform ist so ausgelegt, dass sie im White-Label-Modell nutzbar ist. "Wir stellen die Infrastruktur nicht nur unseren Töchtern und der Stadt zur Verfügung, sondern auch externen Kunden“, sagt Deymann.
Für Paßon liegt die wichtigste Lehre im Durchhalten: "Der erste Hype war vorbei, aber wir sind drangeblieben. Schritt für Schritt haben wir professionalisiert und erweitert.“
Nach fünf Jahren ziehen die SWK eine klare Bilanz: "LoRaWAN hält, was es verspricht. Die großen Reichweiten, die energieeffiziente Datenübertragung und die Möglichkeit, Netze eigenständig aufzubauen, haben sich in der Praxis bewährt", sagt Deymann. "Wir können sagen: Es funktioniert – und es verbessert unsere Arbeit spürbar“, so Deymann.


