"Kooperationen sind der neue Wettbewerb"
Von Stephanie Gust
Die Stadtwerke Münster und die Stadtwerke Osnabrück bewerten Kooperationen als entscheidenden Faktor, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Auf dem diesjährigen Smartoptimo-Forum betonten Sebastian Jurczyk, Geschäftsführer der Stadtwerke Münster, und Daniel Waschow, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Osnabrück, dass weder große noch kleine Unternehmen die aktuellen Herausforderungen allein bewältigen können.
Kooperationen erhöhen Effizienz und Tempo
Jurczyk verwies auf die Finanzierung der Energiewende: "Wer nicht kooperiert, schafft es nicht." Eigenkapital werde knapp, wenn zum Beispiel Milliarden in Glasfaserausbau oder Speicher fließen. Ein strategischer Partner könne die Quote stärken und gleichzeitig Kompetenzen einbringen. Beispiele aus Münster sind die Zusammenarbeit mit der Telekom im Glasfaserbereich oder das Joint Venture mit Verbund für Batteriespeicher.
Auch in Osnabrück setzt man auf Partnerschaften, etwa beim Wärmepumpenvertrieb mit Viessmann. "Wir haben das Vertrauen der Kunden, Viessmann die Technik und Marke. Gemeinsam mit dem lokalen Handwerk können wir den Markt besser bedienen", so Waschow. Als weitere Kooperationen für erfolgreiche Zusammenarbeit nannten Jurczyk und Waschow Items und Smartoptimo, die zeigen würden, wie Standardisierung und Skalierung im Stadtwerkeverbund funktioniere.
Beide Führungskräfte betonten, dass Kooperation nicht Identität oder Eigenständigkeit aufhebe, sondern Tempo und Effizienz erhöhe. Gerade bei Standardprozessen in IT oder Abrechnung sei es wenig sinnvoll, dass jedes Stadtwerk eigene Systeme aufbaue.
Jurczyk brachte es auf den Punkt: "Kooperationen sind der neue Wettbewerb." Statt Fusionen in großem Stil erwarten beide künftig viele flexible Modelle – vom gemeinsamen Einkauf bis hin zu spezialisierten Joint Ventures.
Und Fritz Wengeler, Geschäftsführer von Smartoptimo, fasste die Rolle seines Stadtwerke- Netzwerks zusammen: "Niemand soll es allein machen. Wir haben das Know-how im Verbund von über 40 Stadtwerken – gemeinsam können wir nach vorne konzipieren."
Vom Kupfernetz zum digitalen Ökosystem
Im Praxistalk des Smartoptimo-Forums diskutierten Vertreter von PPC, OFFIS, PSI und Robotron über den Wandel vom klassischen Netz zum digitalen Energiesystem. Im Zentrum stand die Frage, wie Smart-Meter-Gateways, Netzleittechnik und IT-Plattformen zusammenspielen müssen, um Steuerung und Flexibilität in der Fläche möglich zu machen.
PPC-Chef Ingo Schönberg betonte die Rolle des Smart-Meter-Gateways als "Möglichmacher der Energiewende". Nur wenn Endkundenanlagen standardisiert angebunden würden, könne Flexibilität netzverträglich genutzt werden. Mit der Initiative "PPC Connect" sollen Hersteller und Handwerk die Interoperabilität ihrer Geräte prüfen und so Vertrauen schaffen. Breitband-Powerline sieht Schönberg dabei als aussichtsreiche Option für stabile Kommunikation im Steuerungsrollout.
Sebastian Lehnhoff vom OFFIS – Institut für Informatik lenkte den Blick auf die wissenschaftliche Perspektive: Mehr Messtechnik bedeute zwar mehr Transparenz, erhöhe aber auch die Fehlerquote. Prognosen würden komplexer, da sich Verbrauchsverhalten durch Preissignale schnell ändere. "Wir müssen lernen, auch mit Unsicherheit im Netzmodell umzugehen", so Lehnhoff.
"Es ist wenig sinnvoll, wenn jedes Stadtwerk eigene IT-Systemlandschaften aufbaut. Standardisierung und Kooperation sind der bessere Weg", sagte Christian Hofmann von Robotron. Robotron verstehe sich daher als Partner, der Prozesse vernetzt, Synergien schafft und so den Rollout effizienter macht.
Rainer Schermuly von PSI unterstrich, dass nicht jedes Netz sofort digitalisiert werden müsse. Monitoring reiche zunächst aus, entscheidend sei der gezielte Ausbau dort, wo Engpässe drohen. Robotron-Vertreter Christian Hofmann ergänzte, dass seine Rolle vor allem darin liege, Systeme zu integrieren und Partner zu vernetzen.
Im Fazit riefen die Experten dazu auf, Projekte nicht aufzuschieben. Nur wer früh Erfahrungen sammelt, könne künftige Anforderungen wie die des Paragrafen 14a EnWG, dynamische Tarife und Direktvermarktung beherrschen. Kooperation und Austausch zwischen Stadtwerken blieben dafür der Schlüssel.
Neue Pflichten im Messstellenbetrieb
Welche rechtlichen Vorgaben kommen auf Netzbetreiber und Messstellenbetreiber zu? Diese Frage beleuchtete Geertje Stolzenburg, Fachgebietsleiterin Energiewirtschaftsrecht beim BDEW. Im Zentrum stand die jüngste Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG).
Ab 1. Januar 2026 gilt: Auch steuerbare Anlagen müssen mit einer Steuerbox ausgestattet werden. Damit verschiebt sich der Fokus beim Rollout stärker auf Erzeugungsanlagen. Anders als bisher zählt nicht mehr die Zahl der Messstellen, sondern die installierte Leistung. Betreiber mit großen Anlagen erreichen die Quote damit leichter, während Netzgebiete mit vielen Kleinanlagen benachteiligt sein können. Parallel wurde die Zielmarke von 95 auf 90 Prozent gesenkt.
Stolzenburg sieht insbesondere die Frist 2026 kritisch: Bis dahin sollen 90 Prozent der steuerbaren Neu- und Erzeugungsanlagen mit intelligenter Messtechnik und Steuerung ausgestattet sein. "Das wird so nicht umsetzbar sein", warnte sie. Problematisch sei die Doppelbelastung, wenn Anlagen sowohl konventionell als auch über eine Steuerbox gesteuert werden müssten.
Weitere Neuerungen: Gaszähler sollen ab Juli 2026 in den Rollout einbezogen werden – ein Termin, der nach Einschätzung vieler Experten technisch kaum haltbar ist. Für Wasserstoffzähler ist ein Start ab 2028 vorgesehen. Zudem wurden Kooperationsmöglichkeiten für Messstellenbetreiber geschaffen: Sie können künftig ihre Pflichten gemeinsam erfüllen, ohne dafür eine eigene Gesellschaft zu gründen.
Auch die Datenqualität rückt stärker in den Fokus. Messstellenbetreiber sind verpflichtet, fehlerhafte oder verspätete Messwerte aktiv zu korrigieren – eine Reaktion auf zahlreiche Beschwerden.
Neu eingeführt wurden außerdem Marktrollen wie der "Aggregationsverantwortliche" und der "Messwertverarbeiter" als Vorgriff auf den geplanten MaBiS-Hub. Die Aufteilung der Kosten zwischen Anschlussnutzer und Netzbetreiber wurde präzisiert.
Stolzenburg betonte, dass viele Korrekturen sinnvoll seien. Doch ohne Anpassungen bei der Steuerungsquote drohten praxisferne Vorgaben. "Wir brauchen dringend eine Lösung, sonst stehen Betreiber vor doppelten Pflichten und unerfüllbaren Quoten", sagte sie.
Vom Keller bis zur Cloud: Praxiserfahrungen im Rollout
Im zweiten Praxistalk des Smartoptimo-Forums ging es darum, was Stadtwerke im Feld konkret bewegt: Funkqualität, Prozesskette und die Frage, wie der Steuerungsrollout gelingen kann.
Bashkim Malushaj von der Horizonte Group hatte zuvor über die Skalierung im Massenrollout gesprochen. Er verwies auf Engpässe bei Dienstleistern und fragmentierte IT-Landschaften. Projekte mit den Horizonte-Töchtern wie dem Zählermontagedienstleister Metelligent oder dem BPO-Anbieter Evro Target zeigten, dass ohne Digitalisierung zu viele manuelle Arbeiten entstehen. "Die erfolgreichsten Kunden schaffen derzeit zwei Prozent Störquote, mit digitalen Prozessen lässt sich der Aufwand um bis zu 45 Prozent senken", so Malushaj. Für ihn ist klar: Nur mit zentralisierten Datenplattformen und einem einheitlichen Störungs- und Incident-Management lassen sich Zielquoten und künftige Steuerungsanforderungen bewältigen.
René Giebel von EMH Metering hob die Bedeutung von Transparenz im Rollout hervor. Stadtwerke müssten genau wissen, wie ihre Netze und Prozesse aufgestellt sind, bevor sie in die Fläche gehen. Fehlende Vorbereitung führe schnell zu teuren Rückfahrten. "Manchmal ist ein Verlängerungskabel die günstigere Lösung, als ein zweiter Anlauf nach einer gescheiterten Inbetriebnahme", so Giebel. Entscheidend seien verlässliche Komponenten, fundierte Funkmessungen vor Ort und ein sauberes Assetmanagement. Nur wenn Material und Prozesse dauerhaft stabil liefen, lasse sich der Rollout effizient gestalten und kostspielige Nacharbeiten vermeiden.
Nick Umbach von ENQT legte den Schwerpunkt auf Funkanalysen vor Ort. Empfang müsse über längere Zeit gemessen werden, Momentaufnahmen seien trügerisch. "-109 dBm ist die Grenze für barrierefreien Empfang, stabil wird es erst ab -100 dBm", erklärte er. Wetter und Tageszeit beeinflussten die Qualität, eine Antenne müsse dauerhaft liefern.
Brian Niehöfer von Theben berichtete von den Hürden beim Steuerungsrollout. Theben hat als erster Hersteller mit Vivavis eine vollständig digital zertifizierte Steuerbox vorgelegt – doch jedes Update erfordere ein neues Sicherheitsverfahren. "Selbst wenn wir eine Lösung in einer Woche entwickeln, dauert es sechs bis neun Monate bis zur Zertifizierung", sagte Niehöfer. Verzögerungen bei der Steuerung über Gateways seien daher vorprogrammiert. Theben bietet sowohl eine Nachrüstlösung für bestehende Systeme als auch eine eigenständige Box. Beide Konzepte sollen den Aufwand im Feld reduzieren, erfordern aber schnelles Feedback der Netzbetreiber.
In der Abschlussrunde waren sich die Teilnehmer einig: Weniger Perfektion, mehr Tempo. "Starten, ausprobieren und Feedback geben", lautete der gemeinsame Appell.


