HEMS in der Praxis: Technik, Prozesse und Nutzen für Stadtwerke

Gastbeitrag von 
Carsten Bruns,
Geschäftsführer
Beegy GmbH

Heim-Energiemanagementsysteme (HEMS) entwickeln sich rasant von einer Zusatzkomponente intelligenter Haustechnik zu einem entscheidenden Betriebsmittel für die Integration privater Haushalte in den Strommarkt. Mit wachsender PV-Durchdringung, dem Hochlauf der Elektromobilität und der zunehmenden Elektrifizierung der Wärme rücken Ein- und Zweifamilienhäuser als flexible, steuerbare Einheiten in den Fokus. Für Energieversorger entsteht dadurch ein neues Handlungsfeld: die Orchestrierung dezentraler Erzeuger und Verbraucher entlang dynamischer Tarife, Netzsignale und regulatorischer Vorgaben.

Vor diesem Hintergrund hat die Beegy GmbH, eine Tochter der MVV Energie AG, ein HEMS entwickelt, das konsequent auf Feldtauglichkeit, IT-Sicherheit, Interoperabilität und White-Label-Fähigkeit ausgelegt ist. Inzwischen sind 3000 solcher HEMS installiert, unter anderem bei MVV, den Stadtwerken Kiel und der Energieversorgung Offenbach EVO. 

Dezentrale Anlagen und neue Verbraucher erhöhen die Komplexität

Die Ausgangssituation ist von mehreren Trends geprägt. Zum einen nimmt die Zahl dezentraler PV-Anlagen weiter zu. Zum anderen belasten steuerbare Verbraucher wie Wärmepumpen und Wallboxen die Netze erheblich, bieten zugleich aber Flexibilität für Lastverschiebungen. Variable Strompreise rücken stärker in den Vordergrund. Stadtwerke müssen ihren Privatkunden deshalb integrierte Angebote machen, die Anlagen, Tarife, Service und Betrieb zusammenführen. Zentrale technische Komponente ist ein Home Energy Management System (HEMS), das Messwerte erfasst, Geräte steuert und sicher mit einem Cloud-Backend kommuniziert.

Hybridarchitektur aus lokaler Intelligenz und Cloud-Anbindung

Die Lösung setzt auf einen Hybridansatz. Vor Ort übernimmt der Beegy-Energiemanager in der Beegy-Box die Datenverarbeitung – von PV-Erzeugung über Speicher bis zu Ladevorgängen. So bleibt die Regelung auch bei instabiler Internetverbindung funktionsfähig. Die Cloud ist klar abgegrenzt: Sie liefert Updates, überwacht Zustandsdaten, verarbeitet Tarifinformationen und synchronisiert Betriebsdaten. Diese Trennung ist Teil der IT-Sicherheitsarchitektur und sorgt dafür, dass nur notwendige Daten in die Cloud gelangen.

Für die Installation stehen zwei Elemente bereit: der Energiemanager im Com-Kit mit Switch sowie eine vorkonfigurierte AC-Box für Wechselrichter, Speicher, Wärmepumpe und Wallbox. Die AC-Box wird neben dem Zählerkasten montiert und spart so aufwendige Umbauten. Die Inbetriebnahme erfolgt per App, die Parameter setzt und Plausibilitäten prüft. Monteure profitieren von kurzen Installationszeiten und geringem Fehlerrisiko.

Das HEMS-Subnetz ist über eine Firewall vom Heimnetz getrennt. Damit bleiben Komponenten unsichtbar und Verbindungen zu Hersteller-Clouds werden gezielt blockiert. In der Praxis hat sich die Kombination aus lokaler Intelligenz, klarer Rollenverteilung und sicherer Kommunikation in mehreren tausend Installationen als stabil erwiesen.

Regulatorische Anschlussfähigkeit über § 14a EnWG und § 9 EEG

Das System erfüllt Vorgaben aus dem EnWG und EEG. Steuerimpulse können über die EEBus-Schnittstelle aus dem Smart-Meter-Gateway direkt in das HEMS übertragen und in Modbus-Signale umgesetzt werden – und falls nötig in andere Formate wie Modbus. Dadurch lassen sich auch offene Systeme anbinden. Installationsbetriebe müssen lediglich die Verbindung herstellen, die Logik übernimmt das Energiemanagement. Über Updates kann die Lösung an künftige regulatorische Anforderungen angepasst werden.

Beegy bietet ein White-Label-Ökosystem, das alle Schritte abdeckt. Ein Online-Konfigurator auf der Website des Stadtwerks erfasst Kundendaten und erstellt Lösungsvorschläge. Vor Ort können Vertriebsmitarbeitende über eine Sales-App Anlagen vergleichen, Kalkulationen durchführen und ein unterschriftsreifes Angebot erstellen. Die Installation wird über eine eigene App geführt, die Dokumentation erfasst und Daten synchronisiert. Endkunden erhalten eine klare Visualisierung, während Stadtwerke Monitoring- und Servicefunktionen nutzen können. Digitale Mehrwertdienste wie PV-Überschussladen oder variable Tarife erhöhen die Kundenbindung.

Betriebswirtschaftlicher Nutzen für Stadtwerke

Die Lösung erschließt die Prosumer-Zielgruppe mit einem skalierbaren Produktportfolio. White-Label-Bausteine vermeiden teure Eigenentwicklungen, standardisierte Prozesse senken Kosten. Lokale Intelligenz reduziert Supportaufwand, da viele Störungen remote behoben werden können. Kombinierte Geräte- und Tarifsteuerung ermöglicht es, Flexibilität wirtschaftlich zu nutzen – von dynamischen Tarifen über Netzentgeltanreize bis hin zu lokalen Flexibilitätsmärkten. Auch Netzbetreiber profitieren, da Lastverschiebungen im Quartier besser planbar werden.

Installationsfreundlichkeit als Schlüsselfaktor im Rollout

Engpässe im Elektrohandwerk entscheiden oft über das Rollout-Tempo. Eine Lösung, die ohne Eingriff in den Zählerschrank auskommt und per App geführt wird, beschleunigt den Prozess. Stadtwerke können so mit Partnerbetrieben einen einheitlichen Qualitätsstandard sicherstellen.

Die Bedeutung von HEMS wird weiter wachsen. Regulatorische Vorgaben für steuerbare Verbraucher und Smart-Meter-Gateways nehmen zu, gleichzeitig entstehen neue Preismodelle. Die Fähigkeit, Algorithmen lokal zu betreiben und zentral zu aktualisieren, wird zum Wettbewerbsvorteil. Damit entwickelt sich das HEMS vom Zusatzprodukt zu einem zentralen Baustein im Netzbetrieb von Stadtwerken.

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