Direktvermarktung für Kleinanlagen: "Ohne Smart Meter wird das nicht funktionieren"
Von Julian Korb
Die von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) geplante Absenkung der Direktvermarktungsschwelle für Photovoltaik-Anlagen sorgt in der Branche für kontroverse Diskussionen. Während die Bundesregierung die EEG-Förderkosten senken will, warnen Experten vor erheblichen praktischen Hürden. Torben Brodersen, Geschäftsführer des Bundesverbandes des Solarhandwerks (bdsh Solar), sieht den schleppenden Smart-Meter-Rollout als größtes Problem.
"Wenn der Smart-Meter-Rollout so langsam weiter geht, wird ein Großteil der Besitzer von Kleinanlagen gar nicht erst die Möglichkeit haben, in die Direktvermarktung zu gehen", warnt Brodersen. Die für die Direktvermarktung zwingend erforderlichen intelligenten Messsysteme sind noch längst nicht flächendeckend verfügbar. Viele Anlagenbetreiber hätten daher überhaupt keine Möglichkeit, ihren Strom direkt zu vermarkten und würden für ihren produzierten Strom keinerlei Entschädigung erhalten.
Diese Entwicklung könnte fatale Folgen haben: Das Vertrauen potenzieller Neukunden würde erschüttert, wenn sie keine verlässliche Perspektive auf eine faire Vergütung ihres eingespeisten Stroms hätten. In der Folge drohe ein Einbruch der Verkaufszahlen von Kleinanlagen, so der Verbandsvertreter.
Direktvermarktung als Chance
Sollten jedoch bis 2027 intelligente Messsysteme flächendeckend ausgebaut sein, würde sich das Bild grundlegend wandeln. "Die Direktvermarktung anstelle der Einspeisevergütung wäre dann ein logischer Schritt", betont Brodersen. Kleinanlagenbetreiber könnten von den Marktmechanismen profitieren, indem sie ihren Strom zu hohen Preisen verkaufen, wenn er im Netz gebraucht wird, und ihn günstig zurückkaufen bei Überschuss.
Auch die Direktvermarkter sahen bei einer ZfK-Umfrage Ende 2024 bei in einer solchen Entwicklung durchaus Potenzial. "Direktvermarkter könnten sich künftig darauf konzentrieren, den Wert der Anlage zu maximieren, ohne auf irgendwelche Subventionen Rücksicht zu nehmen", erklärt Amani Joas von CF Flex Power. Die Branche müsse sich professionalisieren und die reine Subventionsära hinter sich lassen.
Wirtschaftlichkeitsprobleme bei aktueller Regulierung
Doch die Realität sehe derzeit anders aus. Alexander Krautz von Next Kraftwerke, dem größten PV-Direktvermarkter, machte deutlich: "Bei Anlagen bis 100 kW handelt es sich in der Regel um Überschusseinspeiser, wodurch deren Strom einen eher geringen Wert hat. Gleichzeitig ist der Aufwand für die Anlagen in der Vermarktung genauso hoch wie für größere Anlagen." Für Betreiber könnte das ein Minusgeschäft bedeuten.
Die Stadtwerke Rosenheim bestätigen diese Einschätzung: "Eine alleinige Vermarktung mit den aktuellen Prozessen wird keine wirtschaftliche Lösung sein." Die Wirtschaftlichkeit könne nur mit intelligenten Messsystemen, Gateways und optimierten Prozessen realisiert werden.
Hemmnisse auf mehreren Ebenen
Brodersen identifiziert die größten Hemmnisse bei der Vermarktung kleiner PV-Anlagen auf verschiedenen Ebenen. Ein zentrales Problem sehe er in der öffentlichen Diskussion: "Häufig wird die Annahme verbreitet, dass Kleinanlagen eine Belastung für die Stromnetze darstellen – dies ist jedoch ein Fehlschluss." In Kombination mit Speichern könnten kleine PV-Anlagen tatsächlich eine entlastende Wirkung haben.
Bei den Messstellenbetreibern gebe es zudem erhebliche Qualitätsunterschiede. "Manchen Betrieben stößt es sauer auf, dass sie alle wichtigen Komponenten für ein durchdachtes Smart-Energy-Home verbauen, dann aber die Messstellenbetreiber nicht hinterherkommen", kritisiert der Verbandsgeschäftsführer.
Auch bei den Netzbetreibern sieht Brodersen Nachholbedarf: Diese seien oftmals noch nicht auf flexible und innovative Konzepte vorbereitet, die in anderen europäischen Ländern bereits erfolgreich umgesetzt würden. Als Beispiele nennt er Energy-Sharing, bei dem in Österreich bereits mehr als 3000 Energiegenossenschaften aktiv seien, oder das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen.
Forderungen für beschleunigten Rollout
Um die nötigen Smart-Meter-Installationszahlen in den kommenden Jahren zu erreichen, fordert Brodersen mehr Druck auf die Messstellenbetreiber. Die Politik müsse konsequenter agieren und die Betreiber durch entsprechende Maßnahmen und Förderprogramme unterstützen.
Besonders kritisch sieht er die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums, wettbewerbliche Messstellenbetreiber vom Smart-Meter-Rollout auszuschließen und die Verantwortung allein den Verteilnetzbetreibern zu übertragen. "Das würde den Ausbau weiter verzögern und Solarbetriebe massiv hemmen", warnt Brodersen.
Eine einheitliche, digitale Plattform für den Rollout von Smart Metern wäre demnach ein entscheidender Schritt, um die Installation und Verwaltung der Messsysteme zu vereinheitlichen und die Marktdurchdringung zu beschleunigen.
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