Kostenwende: Gasbranche applaudiert Reiche
Von Daniel Zugehör
Die Energiewende steht auf dem Prüfstand. In der Debatte konkurriert der Klimaschutz zunehmend mit der Kostenfrage. Das wurde auf der diesjährigen Konferenz des Deutscher Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) in Bonn deutlich.
Mit dem Zehn-Punkte-Plan von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) seien neben dem Klimaschutz jetzt auch andere Aspekte in der Diskussion dazugekommen, sagte der DVGW-Vorstandsvorsitzende Gerald Linke bei einer Podiumsdiskussion.
Gemeint sind die Versorgungssicherheit sowie der Begriff der Kosteneffizienz, das heißt das Verhältnis der aufgewendeten Mittel zum erwartbaren oder erreichten Ergebnis.
Müller: kein Kurswechsel
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, nannte Reiches Plan auf dem Kongress eine "Herkulesaufgabe". Es werde bereits "an jeder Ecke und jedem Ende" auf Kosteneffizienz geprüft, sagte Müller. Aus seiner Sicht bedeute diese "gründliche Überprüfung" jedoch keinen grundlegenden Kurswechsel.
Ministerin Reiche hat den jüngsten Monitoringbericht zur Energiewende zum Anlass genommen, die deutsche Energiepolitik an entscheidenden Stellen neu auszurichten. Die Transformation könne nur mit "mehr Pragmatismus und Realismus" gelingen, sagte Reiche Mitte September. Mit insgesamt zehn Maßnahmen möchte sie eine Energiewende, "die nicht nur klimaneutral macht, sondern auch krisenfest, wirtschaftlich tragfähig und für alle verlässlich bleibt".
Unter anderem will die Ministerin die "einseitige Fokussierung" auf grünen Wasserstoff (H2) beenden. Um Deutschland klimaneutral zu machen, soll etwa auch blauer, also mit Erdgas hergestellter H2 genutzt werden. Das dabei freiwerdende Kohlendioxid (CO2) wird abgeschieden und im Untergrund verpresst. DVGW-Chef Linke betonte bei einer Presseveranstaltung am Rande des Kongresses ebenfalls: "Der Umwelt ist es egal, ob wir grünen oder blauen Wasserstoff nutzen."
Doch das dazu notwendige Carbon Capture and Storage (CCS) genannte Verfahren ist umstritten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unterirdisch gelagertes CO2 wieder an die Oberfläche gelangt – und in die Atmosphäre. Kritiker wie die Umweltschutzorganisation BUND verweisen auf "unkalkulierbare und generationsübergreifende Risiken" durch CCS. Greenpeace bezeichnet das Verfahren als "Scheinlösung". Der Ausstieg aus fossilen Energien werde dadurch verschleppt, warnen beide.
"Das Ziel ist grün, der Weg ist bunt"
"Das Monitoring ist keineswegs ein Abgesang auf die Klimaziele oder ein Alibi zur Verlangsamung der Transformation der Energiewirtschaft", erklärte dagegen Linke in Bonn. Der DVGW stehe ohne Einschränkungen zu seiner bisherigen Position, Deutschland so schnell wie möglich klimaneutral zu gestalten. Allerdings stimmt er mit der Wirtschaftsministerin darin überein, den Pfad bis zur Klimaneutralität technologieoffener als bisher zu gestalten. "Das Ziel ist grün, der Weg ist bunt", so Linke.
Und ohne Gas als sogenannte Brückentechnologie, ist der DVGW überzeugt, wird es nicht gehen. Im Gegenteil: Erdgas werde "bis zum Verzicht von anderen fossilen Brennstoffen mit einer schlechteren Klimabilanz stärker als bisher in den Fokus der Planungen rücken müssen", schreibt der Verband. Die Bundesregierung plant bekanntlich, neue Gaskraftwerke bis zusammen bis zu 20 Gigawatt auszuschreiben. Im Interview mit der ZfK erläuterte der Vorstandsvorsitzende Linke kürzlich unter anderem, warum er den Bedarf noch wesentlich höher einschätzt.
In dem 1859 gegründeten Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches mit Hauptsitz in Bonn sind nach eigenen Angaben mehr als 2000 Versorgungsunternehmen organisiert. Darunter befindet sich mit 91 Prozent die überwiegende Mehrheit der Gasnetzbetreiber in Deutschland.



