Fernwärme, Wasserstoff, Verkehrswende: Was die Stadtwerke Hamm jetzt vorhaben

Im abgelaufenen Geschäftsjahr haben die Stadtwerke Hamm mit 19,6 Millionen Euro immerhin das zweitbeste Ergebnis der Unternehmensgeschichte erzielt. Befeuert durch außergewöhnlich hohe Margenerträge aus dem Energiehandel und signifikante Beteiligungserlöse bildete das Geschäftsjahr 2023 mit einem Rekordergebnis in Höhe von 44,6 Millionen Euro eine Ausnahme. Die Investitionen sind 2024 um 7,8 Millionen auf 37,8 Millionen gestiegen und dürften 2025 weiter zulegen. Der Blick des nordrhein-westfälischen Versorgers richtet sich entsprechend nach vorne. Im ersten Teil des Interviews mit der ZfK sprach Reinhard Bartsch über die Profit- und Verlustbringer des Geschäftsjahres.

Herr Bartsch, wie zufrieden sind Sie mit dem zweitbesten Ergebnis der Unternehmensgeschichte?
Wer da klagt, der klagt auf sehr hohem Niveau. Angesichts des herausfordernden Umfelds, in dem sich aktuell alle Stadtwerke bewegen, können wir mit unseren starken Vertriebsergebnissen und unseren erfolgreichen Beteiligungen mehr als zufrieden sein. Vor zwei Jahren haben wir uns beispielsweise an der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Hamm beteiligt. Das war eine Investition in die Zukunft. Wir sind dort nicht nur Anteilseigner, sondern auch Energieabnehmer, insbesondere für Wärme.

"Unsere Bäderlandschaft schlägt mit über 10 Millionen Euro jährlich zu Buche."

Was waren aus Ihrer Sicht die zentralen Verlustbringer 2024?
Wir betreiben das "Maximare", eine große Erlebnistherme. Dazu kommen zwei Freibäder, drei Hallenbäder und elf Lehrschwimmbecken. Das sind klassische Verlustbringer – zusammen mit einem Defizit von über zehn Millionen Euro jährlich. Das ist eine historische Entwicklung, da bildet auch Hamm keine Ausnahme. Durch die kommunale Neuordnung vor über 50 Jahren wollte damals jeder Ortsteil noch schnell ein Hallenbad. Diese Bäder wurden später alle auf die Stadtwerke übertragen.

Dazu kommt die Verkehrswende – die wird uns in den kommenden Jahren zusätzliche Kosten in zweistelliger Millionenhöhe bringen. Beide Bereiche sorgen für ein Defizit bei etwa 20 Millionen Euro.

Wie konnten Sie diese Verluste ausgleichen?
Wir konnten vor allem gute Ergebnisse im klassischen Vertrieb erzielen, profitierten aber auch von unseren Beteiligungen.

Zahlt sich auch Ihre Beschaffungsstrategie aus?
Ja. Wir kaufen Energie langfristig – aber nie zu 100 Prozent im Voraus. Für das dritte Jahr kaufen wir etwa 30 bis 50 Prozent ein, für das zweite Jahr 70 bis 80 Prozent. Wir sichern uns so ab, ohne zu spekulieren. Wir beschaffen nur das, was wir auch sicher verkaufen können.

Während der Energiekrise, noch vor dem Ukraine-Krieg, haben wir uns entschieden, den externen Vertrieb einzustellen. Wir haben für unsere Bestandskunden Energie eingekauft und deren Verträge eingehalten, auch als andere Anbieter ihren Kunden die Lieferverträge gekündigt haben. Es war die richtige Entscheidung und zugleich eine einmalige Chance: Wir konnten günstige Energie verkaufen und dadurch noch ordentliche Margen erzielen. In dieser Zeit waren wir mit unter 30 Cent pro Kilowattstunde zeitweise der günstigste Anbieter in Deutschland. Wir haben dabei keine Verträge gekündigt – das war unsere Stärke in der Krise.

Und die Grundversorgung?
Im Zusammenhang mit der Energiekrise sind viele Kunden wieder zu den heimischen Stadtwerken gewechselt, in diesen Fällen in die Grundversorgung. Dadurch hat sich unser Marktanteil sehr positiv entwickelt.

2024 haben Sie mit 37,8 Millionen deutlich mehr investiert als im Vorjahr. Was steckt dahinter?
Das ist unter anderem mit auf zwei große Projekte zurückzuführen, den Bau eines neuen Lehrschwimmbeckens und den Beginn der Ertüchtigung unseres Wasserwerks.

Wie hoch ist aktuell Ihre Eigenkapitalquote?
Unsere Eigenkapitalquote liegt im marktüblichen Bereich. Wir achten darauf, unsere Quote stabil zu halten, um auch künftig finanzierungsfähig zu bleiben.

"Mit 3 Prozent locken Sie niemanden mehr."

Reicht sie, um Ihre Vorhaben finanzieren zu können?
Wir müssten unsere Investitionen deutlich steigern. 2025 erwarten wir über 40 Millionen Euro, vor allem wegen der Anschaffung von 30 Wasserstoffbussen – sie sind gefördert, aber dennoch teuer. Zum anderen bauen wir ein neues Wasserwerk, das technisch auf dem neuesten Stand ist. Die Leistung bleibt gleich, aber die Aufbereitungstechnik wurde modernisiert. Neben diesen zwei Projekten steht die Wärmewende als ein kostenintensives Langzeitprojekt an.Das ist eine Ausnahme. Normalerweise liegt unser Volumen darunter. Und wenn wir wirklich in großem Stil Fernwärme ausbauen wollen, reden wir über zusätzliche zweistellige Millionenbeträge jährlich.

Könnten private Investoren helfen?
Das ist schwierig. Viele erwarten zweistellige Renditen. Mit 3 Prozent locken Sie niemanden mehr – das kriegen Investoren heute auch mit Tagesgeld. Wir haben derzeit noch keine fertigen Finanzierungsmodelle, aber die Renditeerwartungen privater Partner liegen meist bei acht Prozent und mehr.

Wie sieht es mit Kooperationen mit anderen Stadtwerken aus?
Denkbar, ja. Eine gemeinsame Finanzierung mit mehreren Stadtwerken – beispielsweise für Fernwärme oder Infrastruktur – könnte helfen, größere Projekte zu stemmen. Aber das Problem betrifft ja nicht nur uns – das gilt für alle Stadtwerke.

Das Interview führte Artjom Maksimenko

Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews mit Reinhard Bartsch, welche Ziele die Stadtwerke Hamm beim Fernwärmeausbau verfolgen und welches Potenzial er bei der Wasserstoffnutzung sieht.

In einer gekürzten Fassung erschien das Interview in der NRW-Beilage der aktuellen Printausgabe der ZfK. Hier geht es zum E-Paper.

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