Von Julian Korb
Die Zustimmung zur Energiewende in Deutschland stabilisiert sich nach einem Rückgang, doch die Bereitschaft der Bürger, selbst aktiv zu werden, ist auf einem historischen Tiefstand. Das zeigt das aktuelle KfW-Energiewendebarometer, für das zwischen Dezember 2024 und Ende März 2025 rund 5000 Privathaushalte repräsentativ befragt wurden.
83 Prozent der deutschen Haushalte bewerten die Energiewende als wichtig oder sehr wichtig. Nach dem deutlichen Rückgang von 88 Prozent im Jahr 2023 auf 82 Prozent im Vorjahr bedeutet der aktuelle Wert eine leichte Erholung. "Damit scheint eine Stabilisierung eingekehrt zu sein", heißt es in der Studie von KfW Research. Dies ist umso bemerkenswerter, als stärkere Klimaschutzmaßnahmen derzeit in vielen Ländern an Popularität verlieren.
Handlungsbereitschaft sinkt auf Rekordtief
Problematisch ist jedoch die sinkende Handlungsbereitschaft: Nur noch 59 Prozent der Haushalte äußerten eine hohe Bereitschaft, die Energiewende durch eigenes Engagement voranzutreiben. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 2018. Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei einkommensschwachen Haushalten, wo die Handlungsbereitschaft in den vergangenen Jahren sehr deutlich zurückgegangen ist.
"Viele einkommensschwache Haushalte stehen unter hohem Kostendruck", sagt Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW. "Sie haben wenig Spielraum, um in die Energiewende zu investieren". Auch diese Bevölkerungsgruppe gelte es, in den Blick zu nehmen, um die bisher breite Zustimmung zur Energiewende und das private Engagement hochzuhalten.
Verbreitung von Energiewendetechnologien wächst moderat
Trotz der gesunkenen Investitionsbereitschaft nutzen inzwischen 13,5 Millionen oder 33 Prozent der deutschen Haushalte mindestens eine Energiewendetechnologie. Das entspricht einem Anstieg um 800.000 Haushalte oder zwei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Zu den erfassten Technologien zählen Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen, Solarthermie-Anlagen, Batteriespeicher, Kraft-Wärme-Kopplungen, Holzpelletheizungen und Elektroautos.
Photovoltaikanlagen führen die Liste weiterhin deutlich an: 16 Prozent der Haushalte verfügen über eine PV-Anlage auf dem Dach, ein Plus von zwei Prozentpunkten. Auf Platz zwei folgen Solarthermieanlagen mit elf Prozent Verbreitung.
Besonders dynamisch entwickeln sich Batteriespeicher und Elektrofahrzeuge. Die Nutzung von Batteriespeichern hat sich innerhalb von zwei Jahren verdreifacht, von drei auf neun Prozent der Haushalte. Elektroautos besitzen mittlerweile ebenfalls neun Prozent aller Haushalte, gegenüber knapp sechs Prozent vor zwei Jahren. Wärmepumpen sind in acht Prozent der Haushalte installiert, zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Soziale Schieflage verschärft sich
Die Studie offenbart eine zunehmende soziale Schieflage bei der Energiewende: Die wohlhabendsten Haushalte nutzen Energiewendetechnologien mehr als dreimal so häufig wie die einkommensschwächsten Haushalte – 50 Prozent versus 16 Prozent. Im Vorjahr war der Unterschied noch geringer, die Anteile lagen nur um das 2,5-fache höher. Die Schere öffnet sich also weiter.
Regional zeigen sich erhebliche Unterschiede: Baden-Württemberg führt mit 46 Prozent Energiewendehaushalten, gefolgt von Bayern mit 42 Prozent. Am anderen Ende der Skala stehen die Stadtstaaten Bremen und Hamburg mit zwölf beziehungsweise 15 Prozent sowie Sachsen-Anhalt und Thüringen mit jeweils 20 Prozent.
Energiewende vor Kurswechsel
"Der Klimawandel scheint derzeit in der öffentlichen politischen Debatte in den Hintergrund zu geraten", betont KfW-Chefvolkswirt Schumacher. "Die grundsätzliche Überzeugung, dass das Thema eine große Bedeutung hat, ist in der Bevölkerung aber weiter vorhanden." Diese Stimmung sollte laut Schumacher genutzt werden, um die Energiewende weiter voranzutreiben. Gefragt seien "kluge technische Lösungen", die auch den Wirtschaftsstandort Deutschland bereichern könnten.
Die Herausforderung für die Politik besteht demnach darin, die stabile Zustimmung zur Energiewende in konkrete Handlungsbereitschaft zu übersetzen – insbesondere bei den Haushalten, die bislang aus finanziellen Gründen außen vor bleiben.
Da finanzschwache Haushalte häufiger mit Öl und Gas heizen, fällt bei ihnen die Bepreisung fossiler Brennstoffe zugleich stärker ins Gewicht. Seit 2021 gibt es in Deutschland einen CO₂-Preis für alle fossilen Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel, wodurch der Verbrauch dieser Rohstoffe teurer wird, was zum Klimaschutz beitragen soll. Zum Jahresanfang 2025 ist der Preis je Tonne Kohlendioxid (CO₂) von 45 Euro auf 55 Euro gestiegen.
Bundeswirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche hat sich jüngst für einen Kurswechsel bei der Energiewende ausgesprochen. Die CDU-Politikerin will Kosten senken und die Versorgungssicherheit in den Mittelpunkt stellen. Subventionen sollen abgebaut werden. Reiche will zum Beispiel die bisher fixe Einspeisevergütung für Photovoltaik-Neuanlagen abschaffen. (mit Material der Deutschen Presseagentur)
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