Von Elwine Happ-Frank

Das Herzstück der Lösung ist eine KI, die kontinuierlich die optimale Einstellung für zwei flexible Absperrklappen im acht Kilometer langen Hauptsammler in Jena zwischen den Stadtteilen Lobeda und Zwätzen ermittelt. Die Technologie nutzt dafür aktuelle Messwerte zu Durchfluss und Sedimentablagerungen, kombiniert diese mit Wetter- und Niederschlagsprognosen sowie Simulationsdaten zum städtischen Kanalnetz und berücksichtigt zugleich betriebliche Anforderungen der zentralen Kläranlage.

"Die digitale Steuerung ist seit Anfang September im laufenden Betrieb", berichtet Robert Köllner, Bereichsleiter Abwasser bei den Stadtwerken Jena. "Von ein paar Anfangsschwierigkeiten abgesehen, sind wir mit der Wirkungsweise sehr zufrieden."

Vier Funktionen gegen extreme Wetterlagen

Die passgenau angefertigten Klappen können den Schmutzwasserfluss im bis zu drei Meter breiten Hauptsammler stufenlos regulieren oder komplett unterbrechen. Das System ermöglicht einen beschleunigten oder verzögerten Abfluss je nach Wetterlage, nutzt das Kanalvolumen als Rückhalteraum bei Starkregen, erzeugt gezielte Spülwellen zur Entfernung schädlicher Ablagerungen bei Trockenheit und sorgt für einen gleichmäßigen Zufluss zur Kläranlage für effizienteren Betrieb.

"Der Klimawandel stellt die Abwasserwirtschaft gleich vor eine Reihe von sehr unterschiedlichen Herausforderungen", erläutert Köllner. "Bei Starkregen reichen die vorhandenen Kanalkapazitäten oft nicht aus. Bei längeren Trockenphasen fehlt Wasser im Kanal, es kommt zu Ablagerungen, Geruchsbildung und Schäden an der Bausubstanz. Nicht zuletzt hat die stark schwankende Schmutzfracht auch negativen Einfluss auf den Betrieb unserer Kläranlagen."

Digitaler Zwilling als Datengrundlage

Für die KI-gesteuerte Plattform erstellte das Projektteam einen dreidimensionalen digitalen Zwilling des Kanals. Grundlage waren Drohnenaufnahmen und Infrarotmesswerte des Abwasser-Hauptsammlers. Ergänzend wurden zahlreiche Messpunkte für unterschiedlichste Parameter im Kanalnetz verbaut und in das System eingebunden.

Die beiden Klappen befinden sich etwa auf halber Strecke unweit der Innenstadt sowie kurz vor der Zentralkläranlage in Jena-Zwätzen. Sie wurden in Einzelteilen vor Ort installiert und transportieren einen Großteil des städtischen Schmutzwassers zur Kläranlage.

In den kommenden Monaten soll das System seine Leistungsfähigkeit bei extremen Wetterlagen unter Beweis stellen. Die praktischen Erfahrungen werden an das Projektteam sowie weitere interessierte Kommunen weitergegeben, um die Technologie weiterentwickeln und übertragen zu können.

Ausgezeichnetes Engagement

Seit Jahren arbeiten die Stadtwerke Jena und JenaWasser an Lösungen für die Klimawandel-Herausforderungen. Bereits 2018 setzte sich der Bereich Abwasser im Generalentwässerungsplan mit Extremwetterereignissen und Starkregenvorsorge auseinander und erhielt dafür den Thüringer Klimaschutzpreis "Die Blaue Libelle". Für das Projekt InSchuKa 4.0 erhielt JenaWasser 2024 den NachhaltigkeitsAWARD der Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK).

Lesen Sie weiter mit Ihrem ZfK-Abonnement

Erhalten Sie uneingeschränkten Zugang zu allen Inhalten der ZfK!

✓ Vollzugriff auf alle ZfK-Artikel und das digitale ePaper
✓ Exklusive Analysen, Hintergründe und Interviews aus der Branche
✓ Tägliche Branchen-Newsletter mit den wichtigsten Entwicklungen

Ihr Abonnement auswählen

Haben Sie Fehler entdeckt? Wollen Sie uns Ihre Meinung mitteilen? Dann kontaktieren Sie unsere Redaktion gerne unter redaktion@zfk.de.

Home
E-Paper